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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beruhigen, Herr Dahlmann. Und in drei Tagen können Sie Ihre Gattin heimholen. Vielleicht wächst im Laufe eines Jahres auch in Ihnen die Gewißheit, daß eine neue Operation ein Segen sein kann –«
    Wenig später sah Professor Bohne zur Straße hinunter. Aus dem Eingang der Klinik kamen Dahlmann und Monika Horten. Sie waren allein, Dr. Ronnefeld besuchte in der Chirurgischen noch zwei Privatpatienten. Dahlmann hatte seine Schwägerin untergefaßt … aber es war kein helfendes Stützen, sondern ein verliebtes Anschmiegen an ihren schönen, zarten Körper. Sie blieben vor dem Parkplatz stehen, er sagte etwas, er lachte sogar und drückte den Arm Monikas an sich.
    »Sie wird doppelt blind sein«, sagte Professor Bohne und wandte sich vom Fenster ab. Neben ihm stand Dr. Neuhaus mit ernstem, fast verbissenem Gesicht. »So ist es im Leben, mein junger Kollege. In dreißig Jahren Praxis habe ich das immer wieder erlebt … Heuchelei und Lüge werden zu lindernden Pflastern für die Blinden –«
    »Man sollte dem Kerl eine runterhauen, Herr Professor«, zischte Dr. Neuhaus. »Man sollte es ihr sagen –«
    »Warum? Was ändern Sie damit?« Professor Bohne hob resignierend die Schultern. »Der Charakter des Menschen ist die einzige Fehlschöpfung Gottes …«
    *
    In der Nacht, nach einigen Gläsern Wein, die Ernst Dahlmann für sich allein im nur von einer Stehlampe erleuchteten Zimmer getrunken hatte, blieb er nicht wie schon so oft vor der Tür des Fremdenzimmers stehen, sondern faßte die Klinke und drückte sie herunter.
    Die Tür war nicht verschlossen. Sie knarrte auch nicht, als er sie vorsichtig öffnete, in den dunklen Raum schlüpfte und sie wieder hinter sich zuzog.
    Das erste, was ihm entgegenkam, war ein herbsüßer Parfümgeruch und ein tiefes, gleichmäßiges Atmen. Er blieb an der Tür stehen, lehnte sich dagegen und starrte in die Dunkelheit, bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten. Aus den Schatten wurden Gegenstände … der Schrank, das Waschbecken, eine Frisierkommode, zwei kleine Sessel, ein Tisch, ein flaches Bett, darüber die Umrisse eines Bildes, eine Steppdecke mit den Wölbungen eines Körpers darunter, ein kleiner, heller Fleck … der Teil eines Gesichtes und aufgelöste blonde Haare.
    Ernst Dahlmann preßte die Lippen zusammen und atmete laut durch die Nase. Eine heiße Welle Blut spülte zu seinen Schläfen und trocknete ihm die Kehle und den Gaumen aus. Sein Herz brannte. Er schluckte mehrmals, und es tat weh, dieses Schlucken mit einer Kehle, die ausgedörrt war wie nach einer Wüstenwanderung.
    Langsam ging er auf das Bett zu, setzte sich vorsichtig auf die Kante und beugte sich über Monikas Kopf. Sie schlief wie ein Kind, den Kopf zur Seite, mit fast trotzigen Lippen, die Beine etwas angezogen. Er sah das leichte Zittern ihrer Augendeckel, die sich im Schlaf beim Atmen ein wenig blähenden Nasenflügel, er roch ihren Körper und verfolgte die weiße, weiche Linie ihres Halses bis zu den Spitzen des Hemdes, die den Brustansatz verdeckten. Mit zitternden Fingern streifte er langsam die Steppdecke von ihr … zentimeterweise, als schäle er eine wertvolle Skulptur aus ihrer schützenden Umhüllung, ein Porzellanfigürchen, zerbrechlich bei jeder rauhen Berührung. Monika Horten seufzte im Schlaf, sie drehte den Kopf, streckte sich und schob einen Arm unter den Kopf.
    Das war der Augenblick, in dem Ernst Dahlmann die mühsame Beherrschung verließ. Stumm, nach einem tiefen Aufatmen, warf er sich über sie und riß sie in seine Arme. Den Schrei, den sie ausstieß, erstickte er mit seinen Lippen, er preßte sie in die Kissen zurück, während seine Hände an ihrem Körper auf und ab glitten.
    »Bist du wahnsinnig?!« schrie sie, als er Atem schöpfen mußte und ihren Mund freigab. Sie preßte die Fäuste zwischen sich und ihn und zog die Beine an. »Du bist ja betrunken, Ernst! Du bist … du bist …«
    »Ich bin wahnsinnig, ja. Ich bin wahnsinnig.« Dahlmann ergriff ihre Fäuste und drückte sie weg. »Du weißt, daß ich dich liebe … daß ich dich seit der ersten Begegnung liebe, daß ich Luise nur geheiratet habe, um dir nahe zu sein, dich zu sehen, immer und immer wieder zu hoffen, jahrelang, daß einmal diese Stunde kommt, diese Stunde, wie sie jetzt ist … Dafür habe ich hingenommen … die Demütigungen deines Vaters, die Duldung Luises, die Überlegenheit ihres Geistes, die sie mir immer zu spüren gab … alles, alles habe ich in mich hineingefressen, weil ich wußte:

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