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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu wissen, was sie von ihrer Schwester erwarten würde, wenn sie in Hannover bliebe.
    Dann kam der Anruf des Werbeleiters. Ernst Dahlmann wußte ihre Adresse. Und das neue Zittern begann, die neue Überlegung, weiterzuflüchten, aber auch die Hilflosigkeit: Wohin denn? Die Welt ist zwar groß, aber sie ist nicht groß genug, daß auch ein Dahlmann an jeden Ort kommen könnte.
    In dieser Verzweiflung tat sie einen Schritt nach vorn … sie schloß sich dem blonden Julius Salzer an, dem unerkannten Poeten, der sein Zimmerchen unter dem Dach und seine Verpflegung mit Küchendienst und Hausarbeiten im ›Grünen Krug‹ abarbeitete.
    Schon am ersten Abend ließ sie sich aus seinem Roman ›Rauhreif über Ursula‹ vorlesen, einem merkwürdigen Poem über ein Mädchen, das so verliebt ist, daß es in kalter Nacht so lange auf den nicht kommenden Geliebten wartet, bis es mit Rauhreif überzogen zu Eis erstarrt, Denkmal einer unsterblichen Liebe.
    Monika Horten saß vor dem jungen Dichter, die Hände gefaltet, und dachte an nichts. Alles in ihr war leer. Sie hörte Worte und verstand sie nicht, es waren nur Klänge, hoch oder niedrig, laut oder leise, kurz oder lang, ein elektronisches Summen fast … als es aufhörte, sah sie auf und lächelte Julius Salzer an.
    »Schön«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln.
    »Blödsinn ist das!« Julius Salzer klappte das Schulheft, in das er seinen Roman geschrieben hatte, zu.
    »Aber warum denn?«
    »Weil das keiner drucken und keiner lesen wird. Anders wär's, wenn meine Ursula fünfzehn wäre und einen Greis von neunzig liebte.«
    »Pfui!«
    »Sie lesen zu wenig moderne und mit Preisen ausgezeichnete Literatur, mein Fräulein!« Julius Salzer warf seinen Roman in die Ecke. »Sie haben heute als Autor nur noch eine Chance, international und vor allem national gefördert zu werden, wenn sie wenigstens einen Perversen in Ihrem Buch auftreten lassen. Kein Literaturpreis ohne Perversität … das sollte das erste Gebot für junge Schriftsteller werden. Das erspart ihnen nachher viele Enttäuschungen. Leider bin ich dazu zu altmodisch.«
    »Pfui! Wenn Sie so weiterreden, ist das unser erstes und letztes Gespräch, Herr Salzer.« Monika Horten sah wieder vor sich hin. Wie harmlos ist das alles gegen das, was hinter mir liegt, dachte sie. Jetzt sieht er mich an, der große, blonde Junge und denkt, ich sei ein schüchternes, sanftes, unberührtes, reines Mädchen. Wie abscheulich das alles ist, wie verlogen dieses verdammte Leben –
    »Verzeihen Sie.« Julius Salzer schlang die Arme um die angezogenen Knie und sah hinaus auf die nachtschwarze Heide. Wie Soldaten mit Rucksäcken standen die Holunderbüsche gegen den fahlen Himmel. »Haben Sie auch manchmal die dumme Frage gestellt: Warum lebt man eigentlich?«
    »Ja …«
    »Und die Antwort?«
    »Ich habe nie eine darauf gewußt.«
    »Waren Sie noch nie verliebt?«
    »Warum?«
    »Man sagt, wenn man liebt, weiß man, wozu man lebt.«
    »Das ist ein Irrtum.«
    »Wie können Sie das sagen, wo Sie nie richtig geliebt haben?«
    »Und Sie? Haben Sie schon geliebt?«
    »Nein. Aber ich möchte es erleben –«
    »Was hindert Sie daran?«
    »Der Partner!«
    »Wieso?«
    »Ich habe noch keinen gefunden. Vielleicht ist das eines der Geheimnisse, warum meine Romane so erbärmlich schlecht und lebensfern sind. Es fehlt der Motor, das Erlebnis, die Glut des Augenblicks, die Wärme eines Leibes, die Hingabe, die Himmel aufreißt … weiß der Teufel, was alles in der Liebe verborgen ist.«
    »Der fade Geschmack des Sinnlosen –«, sagte Monika leise. Julius Salzer schüttelte den Kopf. Er starrte noch immer hinaus in die nächtliche Heide und sah nicht die Leere in Monikas Augen.
    »Das klingt zu sehr nach Sartre, mein Fräulein. Liebe muß etwas Vulkanisches sein, etwas, was den Urkern des Menschlichen nach oben schleudert, was Welten zerbersten läßt und neue Welten schafft. Liebe muß mit menschlichen Worten unbeschreiblich sein, denn selbst Gott kannte dafür nur ein einziges Wort: Liebe!«
    »Sie sind wirklich ein heilloser Romantiker …«
    »Vielleicht wäre ich ein Moderner, wenn ich wüßte, was Liebe ist. Nur könnte ich mir niemals vorstellen, daß Liebe nichts weiter ist als eine Ausschüttung überzähliger Hormone.«
    »Oft ist es so.«
    »Heihei, hier spricht die Erfahrung!« Julius Salzer lachte und wandte sich Monika zu. Er wollte weiter ironisieren, aber da sah er ihre Augen und die Qual, die aus ihnen schrie und keines Lautes

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