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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war und daß Dahlmann es kannte. Endlich fand sie den Gegenstand im Kofferraum, einem kleinen Anbau neben dem Bad, in dem die Koffer aufbewahrt wurden. Sie legte den Gegenstand deutlich sichtbar auf den Sessel in der Blumenecke, stellte dann das Radio an und setzte sich, wie sie es als Blinde immer getan hatte, vor das Gerät, den Kopf etwas zur Seite geneigt, genau gegenüber dem großen Blumenfenster.
    Jetzt wird er sich verraten, dachte sie. Hier kommt etwas auf ihn zu, was er mit keiner Selbstbeherrschung überwinden kann.
    Sie drehte das Radio etwas leiser, als sie die Dielentür zuklappen hörte. Er kommt, dachte sie. Und gleich wird er es sehen.
    *
    Ernst Dahlmann lauschte erst an der Tür des Zimmers. Die Musik war von Mozart, Hochzeit des Figaro. Aber sonst hörte er keine Stimmen … nicht das polternde Organ Dr. Kutschers, nicht die etwas helle Stimme Salzers. Auch die Garderobe war leer, wo die Mäntel gehangen hatten. Luise schien allein zu sein. Endlich allein!
    Er öffnete die Tür. Das große Zimmer war leer, Luise saß wie seit Monaten am Radio, die Hände auf der Sessellehne, mit geneigtem Kopf, und ließ sich von den Klängen einfangen.
    Dahlmann räusperte sich. Luise fuhr etwas hoch und hob den Kopf.
    »Ernst?«
    »Ja, Luiserl …«
    »Du hast mich erschreckt.«
    »Bitte verzeih.« Er blieb an der Tür stehen, unschlüssig, was er nun tun sollte. Ob er es wollte oder nicht … die Wand, die Robert Sanden hieß, war aufgerichtet und stand zwischen ihm und Luise. Eine Wand, die wohl die Stimme hinüberließ, aber keinerlei Berührung mehr. »Dein Besuch ist weg?«
    »Ja. Schon seit einer halben Stunde.«
    »Wie konntest du mir das bloß antun. Luiserl?!« sagte er heiser.
    »Was?«
    »Die Sache mit Sanden.«
    »Du warst bei ihm?«
    »Ja.«
    »Ich weiß. Er hat mich angerufen. Du wolltest mich abkaufen …«
    »Ich habe mit allen Mitteln um dich gerungen, Luiserl. Selbst die schäbigste Art, Geld zu bieten, war mir nicht blöd genug. Ich habe mich bis zum Tiefsten erniedrigt … Aber du willst nicht mehr …«
    »Nein, Ernst.«
    In diesem Augenblick fiel sein Blick auf den Sessel in der Blumenecke. Seine Augen wurden starr, sein Kinn klappte herunter, als spränge es aus den Sehnen.
    Auf dem Sessel lag eine Handtasche. Monikas weiße Handtasche. Er erkannte sie sofort … sie war das erste Geschenk, das er ihr gemacht hatte, damals, im Frühsommer, als sie eine Welt vor sich sahen, die in einen rosa Schleier gehüllt schien. Nun lag sie hier … auf einem Sessel, in dem vorhin Dr. Ronnefeld gesessen hatte.
    Dahlmann wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht und starrte dann wieder auf den Sessel. Es war keine Täuschung … Monikas Handtasche lag dort, und vor einer halben Stunde hatte sie noch nicht dort gelegen. Luise schob den Kopf etwas vor, wie es Blinde immer tun, wenn sie angestrengt lauschen.
    »Ist etwas, Ernst?« fragte sie. »Du bist so still.«
    Dahlmann schluckte krampfhaft. »Nein, nichts, Luiserl.« Seine Stimme klang hohl und wie durch ein langes Rohr gerufen. »Du warst die ganze Zeit allein?«
    »Nachdem die Herren weggingen? Ja. Warum?«
    »Ich meine bloß.« Er ging zu dem Sessel, hob die Tasche auf und öffnete leise den Verschlußbügel. Sie war leer bis auf ein Taschentuch und ein Portemonnaie, in dem sieben Mark lagen. Ein Lippenstift war in einer Seitentasche und eine Fahrkarte der Straßenbahn. Fast ein Jahr alt.
    Dahlmann sah sich um. Er ging zur Tür, öffnete sie und lauschte in der Diele nach oben, die Treppe hinauf zum Atelier. Er hörte nichts … nur die Musik Mozarts umgaukelte ihn. Dann hörte er Luise rufen und rannte zurück in das Wohnzimmer.
    »Wo bist du denn?« fragte sie erstaunt. »Warum läufst du denn hinaus?«
    »War wirklich niemand hier? Hast du nichts gehört? Schritte …« Seine Stimme war heiser vor Aufregung. Das ist doch nicht möglich, dachte er. Das ist einfach nicht wahr. Monika ist tot. Sie liegt kalt und steif in einem Alkovenbett mitten im Wald. Ich bin kein Arzt, aber ich kann feststellen, ob ein Mensch lebt oder nicht. Ich kann einen Puls fühlen, ich weiß, was eine Leichenstarre ist. Und ein Körper, der nicht mehr atmet, ist tot … und Monika war tot … tot … tot …
    Und nun liegt ihre Tasche hier …
    »Schritte?« Luise hob lauernd den Kopf. »Ja … doch … ein leises Tapsen … Ich dachte, es wäre die Katze … Ist etwas, Ernst? Du machst mir Angst …«
    Sie spielte ihre Rolle vorzüglich … sie streckte beide Arme

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