Eine Sündige Nacht
hatte durchaus einen Verdacht. Was ihm da einfiel, war zu teuflisch, um diesen Gedanken weiterzuspinnen. Aber wenn Roscoe beteiligt war … »Mir war zu Ohren gekommen, dass du geheiratet hast. Ich weiß nicht mehr, wer es mir erzählt hat.«
»Wer immer es war, hat dir etwas Falsches erzählt. Meine erste Ehe ist die mit …«
»Meinem Vater.«
Nach einem betretenen Schweigen fragte Caroline endlich, was sie seit vielen Jahren beschäftigt hatte. »Was ist mit dir und Marilee geschehen?«
»Es war der reinste Rosenkrieg«, sagte er mit einem kurzen Lachen. Caroline sagte nichts. Sie saß sehr steif da, ihre Finger ineinander geflochten. »Unsere Ehe war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie wollte das Baby genauso wenig wie ich. Sie benutzte es als Falle, um mich zur Ehe zu zwingen. Nach Alyssas Geburt begannen wir mit den Scheidungsvorbereitungen.«
»Siehst du das Kind überhaupt? Alyssa?«
»Nein. Nie«, sagte Rink. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich, aber sein Ton zeigte deutlich an, dass das Thema damit beendet war. Es ging Caroline sehr nahe, dass er sein einziges Kind nicht liebte. Wie konnte jemand nur so gefühllos sein? Viele Jahre lang hatte sie sich nach ihrem Sommer damals gewünscht, sie hätte ein Kind von ihm. Dann wäre ein Teil von ihm immer bei ihr gewesen, ein Teil, den sie hätte lieben können, wenn er selbst schon nicht bei ihr sein konnte.
»Als die Scheidung endlich durch war - es hat Jahre gedauert -, habe ich mich darauf konzentriert, die Fluggesellschaft an den Start zu bringen.«
»Ich bin sehr stolz darauf, dass du das geschafft hast, Rink«, sagte sie mit einer Stimme, die so weich und aufrichtig klang, dass er ihr in die Augen sehen musste.
Er lächelte trocken. »Na ja, ich habe schon wie blöd daran gearbeitet, dass es funktioniert. Es hat mich beschäftigt und mich davon abgehalten, an andere … Dinge zu denken.«
»Welche anderen Dinge? Dein Zuhause?«
Seine Augen blieben lange Zeit auf ihre geheftet. Er blickte sie hart und durchdringend an.
»Ja«, sagte er kurz und stand auf. Er drehte ihr den Rücken zu und lehnte sich mit der Schulter an einen der Holzpfosten. » The Retreat . Laura Jane. Meinen Vater. Die Entkörnungsanlage. Winstonville war mein Zuhause. Ich hatte nie vorgehabt, es zu verlassen.«
»Du hast dir in Atlanta ein neues Leben aufgebaut.«
»Ja.« Aber nichts Besonderes, hätte er noch hinzufügen können. Sein Haus war zu neu, zu protzig. Es hatte weder Charakter noch Stil. Die Partys waren zu laut. Die Frauen … Die Frauen waren zu schick, zu welterfahren, zu falsch. Er durchschaute sie, so wie sie ihn.
Das Leben, das er führte, war eine Scharade. Nicht, dass er nicht glücklich wegen Air Dixie gewesen wäre. Das war er. Auf seine Fluggesellschaft konnte er mit Fug und Recht stolz sein, schließlich hatte es ihn Jahre gekostet, bis sie so gut lief wie jetzt.
Aber sein beruflicher Erfolg hatte ihm nie viel bedeutet. Seine Wurzeln waren hier, in seiner Stadt, in dieser satten Flussniederung, in diesem Haus. Jedes andere Leben war nur Augenwischerei. Er würde seinem Vater niemals vergeben, dass er ihn von hier verscheucht hatte. Niemals.
Plötzlich fuhr er Caroline an. »Warum hast du ihn geheiratet?«
Beinahe hätte sie sich unter dem Ansturm seiner Wut geduckt. »Ich werde nicht mit dir über mein Privatleben mit deinem Vater reden, Rink.«
»Ich will gar nichts hören über euer Privatleben. Ich habe dich lediglich gefragt, warum du ihn geheiratet hast. Er ist
fast alt genug, um dein Großvater zu sein, um Himmels Willen.« Er trat vor und beugte sich über sie, stemmte seine Hände auf die Lehnen und hielt sie so in ihrem Sessel gefangen. »Warum? Warum bist du überhaupt nach deinem Collegeabschluss hierher zurückgekommen? Für dich gab es hier doch nichts mehr zu tun.«
Ihr Nacken schmerzte, als sie ihn in eine Position zwang, aus der sie Rink ansehen konnte. »Meine Mama lebte damals noch. Ich kam zurück, nahm einen Job bei der Bank an und hatte innerhalb weniger Monate so viel Geld zur Seite gelegt, dass wir aus diesem Schweinestall, der unser Zuhause gewesen war, in ein gemietetes Haus in der Stadt ziehen konnten. In der Bank habe ich deinen Vater kennengelernt. Er war freundlich zu mir. Als er mich gefragt hat, ob ich für ihn in der Baumwollfabrik arbeiten wollte, habe ich zugesagt. Er zahlte mir doppelt so viel wie die Bank, und das ermöglichte mir, meine Mutter mit so etwas wie Würde zu beerdigen.«
Sein Atem
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