Eine Sündige Nacht
aussehen, darum«, sagte die Haushälterin rücksichtslos. »Ich weiß, dass Sie nicht gut geschlafen haben. Sehen Sie sich doch nur diese Ringe unter Ihren Augen an. Siehst du sie, Rink? Sie brauchen Schlaftabletten oder ein Beruhigungsmittel oder was auch immer.«
»Nein, brauche ich nicht«, sagte Caroline und setzte sich Rink gegenüber. Obwohl er in die Unterhaltung einbezogen worden war, sah sie ihn nicht an, und er blieb still.
»Seien Sie nicht so tapfer«, sagte Mrs. Haney strafend. »Es wird kein Preis für die tapferste Witwe des Jahres verliehen. Niemand wird es Ihnen übel nehmen, wenn Sie zusammenbrechen und die ganze Trauer verarbeiten. Es ist natürlich, wenn man seinen verstorbenen Ehemann betrauert.«
An diesem Punkt traute sich Caroline, Rink anzusehen. Er sah sie über den Rand seiner Kaffeetasse intensiv an. Sie sah als Erste weg. »Ich brauche keinen Arzt.«
Mrs. Haney seufzte und bemühte sich erst gar nicht, ihre Verzweiflung zu verbergen. »Na, dann frühstücken Sie wenigstens
anständig.« Sie häufte Eier auf einen Teller und stellte ihn vor Caroline. »Na los, essen Sie schon. Ich werde später hochgehen und Laura Jane wecken. Ich fand es besser, sie heute länger schlafen zu lassen.«
»Sie schläft gar nicht mehr«, sagte Caroline und rührte Sahne in ihren Kaffee. »Ich habe gerade bei ihr hereingeschaut.« Sie hätte sich gewünscht, dass das Mädchen sie nach unten begleitet und als Schild gegen Rinks Launen gedient hätte, welche auch immer es diesen Morgen sein würde. »Sie war nicht da.«
Rink legte seine Gabel auf dem Teller ab. Mrs. Haney drehte sich von der Arbeitsplatte zu ihnen um, einen Teller mit Toasts in der Hand.
»Wo ist sie? Haben Sie sie heute Morgen noch nicht gesehen?«, fragte er Mrs. Haney.
»Habe ich nicht gerade eben gesagt, ich dachte, sie würde noch schlafen?«
Rink warf seine Serviette auf den Tisch und stand auf. Er stapfte zur Hintertür und riss sie auf.
»Rink!«, rief Caroline, schoss aus ihrem Stuhl hoch und lief ihm nach. Als sie die Verandatreppen hinuntereilte, schritt er schon entschlossen auf die Stallungen zu.
»Rink!«, rief sie hinter ihm her und erhöhte ihr Tempo.
An der Stalltür drehte er sich zu ihr um. »Sei still!«
»Du kannst ihnen doch nicht hinterher spionieren, Rink«, begehrte Caroline auf, aber sie flüsterte es nur.
»Halt dich da raus.«
Sie wollte vermitteln, obwohl sie wusste, es wäre schlauer, nichts zu sagen, aber sie konnte nicht zulassen, dass er Laura Janes einzige Chance auf Glück zerstörte. »Sie ist kein Kind mehr.«
»Verglichen mit dem, was er im Sinn hat, ist sie es.« Vorsichtig öffnete er die Tür. Dank Steves gewissenhaften Wartungsarbeiten verursachte er dabei keinen Laut. Rink betrat das dämmrige Gebäude, Caroline folgte ihm dicht. Seine Stiefel machten ein knirschendes Geräusch auf dem Boden, als er an die Box gelangte, in der Steve und Laura Jane lagen.
Sie hörten das Geräusch, sahen Rinks wütendes Gesicht und sprangen auseinander. Unglücklicherweise hatte Rink schon gesehen, auf wie intime Art Steve seine Schwester geküsst hatte, wie sich ihr Körper an seinen schmiegte, wie seine Hand ihre Brust liebkoste.
Rinks Wutgeschrei ließ Carolines Blut gefrieren. Er griff sich Steve, packte ihn vorne am Hemd und riss ihn auf die Beine hoch, wobei Caroline befürchtete, dass die Wucht, mit der er diesen Angriff ausführte, die Prothese von Steves Beinstumpf abreißen würde.
Rink rammte dem Kriegsveteran die Faust in den Magen, sodass Steve rückwärts gegen die Boxenwand fiel. Bevor er Zeit hatte, sich davon zu erholen, traf ihn Rinks Faust krachend am Kinn.
Laura Jane schrie und rappelte sich hoch. Sie wollte sich zwischen die Raufbolde werfen, aber Caroline schnappte sie und zog sie aus dem Weg. Steves Guerillakämpfer-Instinkte waren jetzt geweckt, und er wollte Rache nehmen. Als nach einem gut gezielten Faustschlag Rinks Nase blutete, schrie Laura Jane noch mal auf und rannte aus dem Stall.
»Hört auf!«, brüllte Caroline. »Hört beide sofort auf.«
Die beiden Männer prügelten sich und schlugen heftig aufeinander ein.
Sie warf sich in das Handgemenge und zwängte sich zwischen sie.
»Hört jetzt auf. Alle beide. Mein Gott, habt ihr denn völlig den Verstand verloren?« Endlich stand sie zwischen den beiden Kontrahenten, die keuchend dastanden und sich das Blut von ihren Wunden wischten.
Als Rink schließlich wieder zu Atem gefunden hatte, sah er Steve böse an. »Bis
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