Eine Sündige Nacht
schmutzigen Vorstellungen entsprechen und erst Roscoe verführen und dann seinen Sohn.«
»Es kümmert mich einen Scheiß, was die denken.«
»Mich aber!« Sie bemerkte, dass sie weinte. Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Wie du schon gesagt hast, wir bleiben so, wie wir geboren wurden. Du bist ein Winston und ein Lancaster. Egal, was du tust, niemand würde es dir vorhalten. Sie würden sich nicht trauen, dich zu kritisieren. Aber bei mir liegt der Fall anders: Ich komme aus ärmlichen Verhältnissen, und so werden sie immer über mich denken. Ich muss mich darum kümmern, was sie denken.«
Sekundenlang starrten sie sich an. Rink drehte sich als Erster weg, wobei er laut vor sich hin fluchte. »Ich kann nicht im selben Haus mit dir leben und nicht mit dir schlafen wollen.«
»Ich weiß.«
»Na gut, dann habe ich es ja jetzt zugegeben. Das ist es doch, was du hören wolltest, oder?«, schrie er.
»Nein, Rink. Ich brauchte es nicht zu hören, um es zu wissen.« Als er herumwirbelte, um sie anzusehen, sagte sie sanft: »Es geht mir doch genauso. Hast du etwas anderes geglaubt?«
Vielleicht spielte das Mondlicht ihr einen Streich, aber es kam ihr so vor, als ob es in seinen Augen verdächtig glitzerte. Seine Lippen bewegten sich, aber er brachte keinen Laut heraus. Reflexartig ballte er seine Hände zu Fäusten, um sie gleich wieder zu öffnen. Sein ganzer Körper war steif vor lauter unterdrückten Gefühlen. Es schien, als ob er diese Gefühle nicht mehr länger für sich behalten könnte. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Verstehst du, warum ich nicht mit dir zusammen sein kann, Rink? Sie haben recht. Ich will dich. Aber ebenso, wie du es nicht vergessen kannst, werden auch sie es nicht vergessen: Ich war Roscoes Ehefrau.«
Er drehte ihr den Rücken zu. Minuten vergingen. Als er sie wieder ansah, war sein Gesicht hart, niedergeschlagen und entschlossen. »Was hast du nach der Testamentsverlesung vor?«
Sie gab sich erst gar nicht die Mühe, ihre Tränen zu verstecken. »Das Einzige, was mir zu tun bleibt. Ich werde gehen, und das war mir schon immer klar.«
Er nickte einmal kurz, machte kehrt und stapfte zum Gehölz. Caroline sank auf die Schaukel, vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und weinte.
Keiner von ihnen bemerkte den Schatten, der zwischen den Bäumen hindurchhuschte, als er den Schauplatz verließ.
10
S teve?«
In der Wohnung brannte kein Licht, aber der tragbare Schwarzweißfernseher warf zuckende Schatten auf die Wände.
»Laura Jane?«, fragte er ungläubig.
»Ich war mir nicht sicher, ob du hier wärst. Hast du schon geschlafen?«
Steve zog schnell die schlichte weiße Decke über seine nackte Brust. Er lag in seinem schmalen Bett auf dem Rücken. Als sie sich durch die Tür drückte und ihre schmale Figur durch den Spalt schob, richtete er sich auf einem Ellbogen auf. »Nein, ich hab noch nicht geschlafen, aber was um alles in der Welt machst du hier? Wenn dein Bruder dich hier findet …«
»Das wird er nicht. Ich habe gesehen, wie er gerade in seinem neuen Pickup weggefahren ist. Caroline und er … Oh, Steve. Ich verstehe das nicht!« Sie flog durch den Raum und warf sich auf ihn. Wie von selbst nahm er sie in die Arme, und sie vergrub weinend ihr Gesicht in seiner Kehlgrube.
»Was ist denn los? Was ist geschehen? Was verstehst du nicht?«
»Rink. Ich verstehe ihn überhaupt nicht. Er hat dich in eine Schlägerei verwickelt, weil wir uns geküsst haben. Er
gab mir das Gefühl, dass wir etwas getan hatten, für das wir uns schämen müssten. Aber wenn das falsch ist, warum machen Caroline und er dann dasselbe? Wenn es falsch ist, wenn wir es tun, warum gilt das nicht für die beiden? Sie sind auch nicht miteinander verheiratet.«
»Du hast sie zusammen gesehen? Wie sie sich küssten?«
»Ja. Unten bei der großen Schaukel. Sie haben mich nicht bemerkt.«
Seine Finger durchkämmten ihre Haare. Er wollte sie nicht noch weiter aufregen, darum überlegte er sich genau, was er ihr antwortete. »Ich glaube, du hast etwas gesehen, das nicht für deine Augen bestimmt war.«
Laura Jane hob ihren Kopf. »Ich hätte nicht bleiben und zuschauen sollen, meinst du das? Mrs. Haney hat mal gesagt, dass man Leute nicht beobachten oder belauschen darf, wenn sie nicht wissen, dass man in der Nähe ist.«
»Ja, stimmt, das ist unhöflich.«
Sie zog an der Ecke der Bettdecke wie ein zerknirschtes Kind. »Ich weiß, dass es falsch war. Aber ich konnte sie hören, darum bin ich
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