Eine süße Versuchung für Marcy
jüngeren Geschwister großgezogen. Mit zweiundzwanzig. Ich weiß, wie Teenager ticken.“
Sie musterte ihn verstohlen. Die Rolle passte zu ihm. Manche Menschen waren dazu geboren, Eltern zu sein. Eric hatte dieses Schützende und Väterliche.
„Haben Sie das gemeint, als Sie von Ihrer Familie gesprochen haben?“
„Ja.“
„Ich muss gestehen, dass ich Sie für mindestens fünfzig, wenn nicht sogar sechzig gehalten habe.“
„Ich wollte Sie nur ein bisschen auf den Arm nehmen.“
Und sie hatte bereits begonnen, sich Gedanken über eine Frau für ihn zu machen – eine, die altersmäßig zu ihm passte. Das änderte jetzt natürlich alles …
Nun ja, vielleicht auch nicht. Im Nachbarhaus wohnte immer noch Annie.
„Waren Sie mal verheiratet?“, wollte sie wissen.
„Nein. Sie?“
„Raten Sie mal.“ Sie lächelte.
Dylan kam herein und setzte sich zu ihnen.
„Nimm dir was zu trinken“, forderte Eric ihn auf und goss sich einen weiteren Kaffee ein, ehe Marcy sie bedienen konnte. Erics Handy klingelte. Er schaute auf das Display, griff nach Marcys Notizbuch und verließ die Küche.
„Der Toast ist gleich fertig“, sagte Marcy, während Dylan sich ein Glas Orangensaft eingoss, das er in einem Zug leerte.
„Wo sind deine Sachen?“
„Was für Sachen?“
„Kleidung zum Wechseln. Zahnbürste. Solche Sachen …“
„In meinem Rucksack. Draußen im Garten. Bei meinem Fahrrad.“
„Du kannst die Waschmaschine und den Trockner benutzen.“ Sie legte das Omelett auf seinen Teller, während er den Toast mit Butter bestrich.
Wie in der Nacht zuvor machte Dylan sich gierig über das Essen her. Er genoss es nicht, sondern schaufelte alles hastig in sich hinein.
Sie füllte ihren Becher nach und setzte sich ihm gegenüber.
„Ich habe noch nie solche Haare wie Ihre gesehen“, bemerkte er unvermittelt. „Weder rot noch braun.“
Überrascht sah sie ihn an. Dann fuhr sie sich durchs Haar, das ihr über die Schultern fiel. Nur manchmal, wenn ihr die Frisur zu üppig wurde, band sie sie zu einem Pferdeschwanz. „Soll das ein Kompliment sein?“
Er zuckte mit den Achseln. „Es gefällt mir.“
„Du bist also nicht unter Wölfen groß geworden.“
Er lachte so sehr, dass ihm Krumen vom Toastbrot aus dem Mund flogen.
„Wie hast du herausbekommen, wann die günstigste Zeit zum Einbrechen ist?“ Hat er mich beobachtet? überlegte sie. Anders konnte es ja kaum gewesen sein.
„Es gibt keine Vorhänge. Sie haben dauernd gearbeitet. Geputzt. Ich habe das Haus nur beobachtet, um zu sehen, wann Sie das Licht ausschalten. Dann habe ich eine Weile gewartet, bevor ich reingekommen bin.“
„Wo hast du denn geschlafen? Bis gestern gab’s hier keine Möbel.“
„Auf dem Fußboden im Esszimmer.“
„Und wann bist du gegangen?“
„Sobald es hell wurde.“
„Warum hast du den Müll hinausgetragen? Und gespült?“
„Ich wollte für die Unterkunft bezahlen. Sie sollten den Maurer auch nicht mehr bestellen. Der hätte seinen Dreck selbst wegräumen müssen.“
„Danke für den Tipp. Ich heiße übrigens Marcy.“
Eric kam zurück. Er legte sein Handy und das Notizbuch auf die Küchentheke. „Planänderung. Ich fange bereits am Montag mit der Arbeit an und nicht erst in vier Wochen. Einer der Professoren musste sich einer Herzoperation unterziehen. Ich soll ihn für den Rest des Sommersemesters vertreten.“
„In welchem Kurs?“
„Vektorenanalyse.“
Sie wechselte einen Blick mit Dylan. „Und was ist das genau?“
„Simpel ausgedrückt: Infinitesimalrechnung mit mehreren Variablen.“
„Aha.“
Er grinste. „Ich könnte Ihnen noch ein paar andere Definitionen geben, aber das erspare ich Ihnen besser.“
„Nett von Ihnen.“ Dylan musste lachen. Sie schaute auf ihre Uhr. „Ich sollte auch in die Gänge kommen. Zuerst werde ich spülen.“
„Das kann Dylan erledigen“, bestimmte Eric. „Er weiß ja, wie’s geht.“
„Mir macht das nichts …“ Sie verstummte, als sie seinen bestimmenden Blick sah. „Na gut.“
Eric schaute die beiden an. „Ich hätte da einen Vorschlag. Ursprünglich hatte ich damit gerechnet, noch einen Monat mit dem Haus beschäftigt zu sein. Das Meiste wollte ich selbst machen. Aber jetzt bin ich von Montag bis Donnerstag täglich drei bis vier Stunden an der Universität. Dazu kommen die Vorbereitungen und die Korrektur der Seminararbeiten.“
„Konnten Sie nicht absagen?“, wollte Marcy wissen.
„Schon, aber es ist klüger, das nicht zu tun.
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