Eine Tankstelle fuer die Seele
selbst kann nicht als solche erfasst werden. Er ist ja nur eine Art Urform in unserer Seele, die ein Feld braucht, um sich zu manifestieren und konkret in Erscheinung zu treten. Das geschieht in Form von archetypischen Bildern, die in uns auftauchen können oder die von einem Menschen, der uns begegnet, verkörpert werden können. In diesem Buch stelle ich Ihnen zwei Wege ausführlich vor, um diese Urbilder zu aktivieren und für Ihr Leben nützen zu können: die Kreative Visualisierung und Musikreisen. Beide habe ich im ersten Teil »Inner Coaching« ausführlich beschrieben, die entsprechenden Übungen finden Sie im nachfolgenden Praxisteil. Daneben gibt es weitere Möglichkeiten, wie sich seelische Urbilder zeigen können.
Der »Königsweg« zu den Inhalten des persönlichen und kollektiven Unbewussten und damit zum Reich der Archetypen sind die Träume . Dabei zeigen sich allerdings zwei Schwierigkeiten: Zum einen erinnert man sich nur selten an die Träume und zum anderen fällt es nicht immer leicht, diese verschlüsselten Botschaften zu verstehen, ohne entsprechende Begleitung durch einen erfahrenen Therapeuten / eine erfahrene Therapeutin.
Der Traum einer Klientin, der mir in diesem Zusammenhang in den Sinn kommt, war allerdings leicht zu verstehen. Nachdem ihr Kind Wochen vorher wenige Minuten nach der Geburt gestorben war, träumte sie mehrmals von einem Engel, der ihr sagte, dass alles gut sei. In einem Traum dann viele Wochen später erschien der Engel wieder, aber diesmal hatte die Frau das Gefühl, das verstorbene Kind sei selbst der Engel. Plötzlich hatte sie eine innere Gewissheit, dass es dem Kind gut ginge. Sie konnte jetzt endlich aufhören, so viel zu weinen, und wusste, sie musste das Kind loslassen. Der Traum half ihr sehr bei dieser Trauerarbeit und so konnte sie nach einiger Zeit wieder schwanger werden. Inzwischen ist sie glückliche Mutter.
Eine ähnliche Geschichte, die mit einem verstorbenen Kind zu tun hat, erzählte mir eine andere junge Frau. Sie war durch einen Traum erwacht, der sie aufzufordern schien, aufzustehen und zum nächtlichen Himmel zu schauen. Es schien ihr, als würde ein Stern besonders hell leuchten. Lange stand sie sinnend und schließlich entspann sich eine Art Dialog zwischen ihr und dem Stern. Dabei entstand das Gefühl, das kleine Mädchen, das sie vor einiger Zeit durch eine schwere Krankheit verloren hatte, sprach durch dieses Himmelslicht zu ihr. Sie hatte eine Botschaft bekommen, die sie allerdings ganz für sich behalten wollte. Da sie eine durchaus rationale Frau ist, sagte sie – wie entschuldigend: »Ob es nun Einbildung war oder nicht, es hat mich innerlich aufgerichtet, und wenn ich daran denke, fühle ich mich getröstet.«
Von den Rollenspielen oder Verkleidungen im Fasching, in denen sich Archetypisches zeigt, habe ich bereits am Anfang dieses Kapitels gesprochen. An dieser Stelle möchte ich von einer besonderen Form des Rollenspiels berichten, wie es in der Psychotherapie zum Beispiel im Psychodrama oder in der Gestalttherapie eingesetzt wird. In meinem Fall war es ein Bibliodrama, das vor vielen Jahren einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat. Der Chefarzt einer psychosomatischen Klinik bot einen entsprechenden Workshop an. Wer einmal bei so einer lebendigen Bibel-Erfahrung dabei war, weiß um diese Faszination, die von den archetypischen Gestalten ausgeht. Ich gehörte zum »Volk«, das die Sünderin, die vor uns am Boden lag, wegen Ehebruchs verurteilte und sie steinigen wollte. So jedenfalls erzählt es das Evangelium (Johannes, Kapitel 8). Mit diesem Gleichnis greift Jesus ein Thema auf, das Menschen aller Zeiten bewegt. Es geht um eine menschliche Grunderfahrung im Umgang miteinander, die wir als archetypisch bezeichnen können: Wer ist schuldig oder unschuldig, wer sind die Sünder, wer die Gerechten? Wer ist ohne Sünde, sodass er den ersten Stein werfen kann?
Obwohl ich mich eigentlich »raushalten« und mich nicht mit dem Steine werfenden Pöbel identifizieren wollte, wurde ich plötzlich von meinen eigenen Erinnerungen und Ängsten ergriffen. Mir kamen Tränen der Wut und Ohnmacht, weil ich mich solidarisch fühlte mit der Frau dort auf dem Boden, und gleichzeitig spürte ich die Energie der Menge, in der ich stand. Ich wurde ergriffen von Unschlüssigkeit auf der einen und der Wut auf der anderen Seite. Ich vergaß, dass es ja nur ein »Spiel« war, und je länger es dauerte, umso mehr verschmolz ich mit dem Geschehen. Dazu kam,
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