Eine Tiefe Am Himmel
Dienstprogrammen. Ein Teil dieser Software war für krass unterschiedliche Situationen entworfen worden. Immer wieder einmal führten die Inkonsistenzen zu verhängnisvollen Unfällen. Im Gegensatz zu den romantischen Raumfahrtgeschichten wurden die häufigsten Unfälle einfach von uralten, missbrauchten Programmen verursacht, die sich schließlich rächten.
»Wir sollten das alles neu schreiben«, sagte Pham.
»Das ist getan worden«, sagte Sura ohne aufzublicken. Sie war im Begriff, auf Freiwache zu gehen, und hatte die letzten vier Tage mit dem Versuch verbracht, ein Problem der Kälteschlaf-Automatik auszumerzen.
»Es ist versucht worden«, berichtigte sie Bret, der gerade von den Kühleinheiten zurückkam. »Doch sogar die obersten Niveaus des Flottensystem-Codes sind riesig. Du und tausend von deinen Freunden, ihr müsstet ein Jahrhundert lang oder so arbeiten, um ihn wiederherzustellen.« Trinli grinste boshaft. »Und weißt du was: Selbst wenn ihr es tätet, dann hättet ihr, wenn ihr fertig seid, eure eigenen Inkonsistenzen. Und ihr wärt immer noch nicht konsistent mit all den Anwendungen, die hin und wieder gebraucht werden könnten.«
Sura ließ für einen Moment die Fehlersuche sein. »Das alles nennt man ›reife Programmumgebung‹. Wenn die Leistung der Hardware bis an die letzte Grenze gesteigert worden ist und die Programmierer etliche Jahrhunderte lang programmiert haben, erreicht man im Grunde einen Punkt, wo es viel mehr signifikanten Code gibt, als man verstandesmäßig erfassen kann. Bestenfalls kann man die allgemeine Schichtung verstehen und wissen, wie man nach einem ausgefallenen Werkzeug sucht, das sich als nützlich erweisen könnte – zum Beispiel in der Situation, die wir jetzt haben.« Sie wies auf das Verknüpfungsschema, an dem sie gearbeitet hatte. »Wir sind knapp mit Kühlflüssigkeit für die Särge. Wie eine Million andere Dinge, war sie im guten alten Canberra nicht zu kaufen. Die auf der Hand liegende Lösung ist natürlich, die Särge achtern in die Nähe der Außenhülle zu bringen und durch direkte Abstrahlung zu kühlen. Uns fehlt dazu die geeignete Ausrüstung – also habe ich in letzter Zeit meinen Teil Archäologie betrieben. Anscheinend ist vor fünfhundert Jahren etwas Ähnliches nach einem systeminternen Krieg bei Torma geschehen. Sie haben ein Programmpaket zur Temperaturregelung zusammengeschustert, welches genau das ist, was wir brauchen.«
»Fast genau.« Wieder grinste Bret. »Mit ein paar kleinen Anpassungen.«
»Ja, und mit denen bin ich fast fertig.« Sie warf Pham einen Blick zu und sah seinen Gesichtsausdruck. »Aha. Ich dachte, du würdest lieber sterben, als einen Sarg zu benutzen.«
Pham lächelte verlegen in der Erinnerung an den kleinen Jungen von vor fünf Jahren. »Nein, ich werde einen benutzen. Eines Tages.«
Bis zu diesem Tag sollten noch fünf Jahre von Phams Lebenszeit vergehen. Er hatte viel zu tun in diesen Jahren. Sowohl Bret als auch Sura waren auf Freiwache, und mit ihren Ersatzleuten wurde Pham nie recht warm. Die vier spielten Musikinstrumente – von Hand, ganz wie Spielleute bei Hofe! Sie konnten es Kilosekunden lang ohne Unterbrechung tun; sie schienen aus dem gemeinsamen Spiel ein seltsames geistiges/soziales Hochgefühl zu gewinnen. Pham wurde von Musik vage beeindruckt, doch diese Leute arbeiteten so hart, um so gewöhnliche Ergebnisse zu erzielen. Pham fehlte die Geduld, um in dieser Richtung auch nur zu beginnen. Er sonderte sich ab. Alleinsein war etwas, das er sehr gut konnte. Es gab so viel zu lernen.
Je mehr er lernte, umso besser verstand er, was Sura Vinh mit ›reifen Programmumgebungen‹ gemeint hatte. Im Vergleich zu den Besatzungsmitgliedern, die er kannte, war Pham ein exzellenter Programmierer geworden. Ein ›strahlendes Genie‹ sei er, hatte er Sura sagen hören, als sie ihn nicht in der Nähe wähnte. Er konnte schlechthin alles programmieren – doch das Leben ist kurz, und die meisten wesentlichen Systeme waren schrecklich groß. Also lernte Pham, in den Monstern der Vergangenheit herumzuhacken. Er konnte Waffenprogramme von Albgeist mit gepatchten Kegelschnitt-Bahnberechnungen aus der Zeit vor der Eroberung des Weltraums zusammenschalten. Ebenso wichtig, er wusste, wie und wo er nach möglicherweise passenden Anwendungen suchen musste, die im Schiffsnetz verborgen waren.
… Und er erfuhr etwas über reife Programmumgebungen, was Sura nie direkt gesagt hatte. Wenn Systeme von darunter liegenden
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