Eine Tiefe Am Himmel
mit, lächelte und lachte und verstellte sich. Und jedes einzelne war ein wunderbares Kind. Ausgenommen Brent, war jedes klüger und offener als nahezu jedes Kind, an das sich Unnerbei erinnerte. Das alles machte es nur noch schlimmer, wenn er sich vorstellte, wie ihr Leben aussehen würde, wenn sie sich erst einmal der Außenwelt stellen müssten.
Viktoria junior hatte ein Puppenhaus, ein riesiges Ding, das sich ein Stück nach draußen zwischen die Farne erstreckte. Als sie an der Reihe war, hakte sie zwei Hände unter einen von Hrunkners Vorderarmen und zog ihn beinahe zur offenen Seite ihres Hauses hin.
»Schau«, sagte sie und zeigte auf ein Loch in dem Spielzeugkeller. Es sah verdächtig nach dem Eingang eines Termitennests aus. »Mein Haus hat sogar seine eigene Tiefe. Und eine Speisekammer, und ein Esszimmer, und sieben Schlafzimmer…« Jedes Zimmer musste dem Gast vorgeführt werden, alles Mobiliar erklärt. Sie öffnete eine Schlafzimmerwand, und drinnen war ein Gewimmel. »Und ich habe sogar kleine Leute, die in meinem Haus wohnen. Schau nur die Kanker.« In der Tat war der Maßstab von Vikis Haus nahezu perfekt für die kleinen Wesen, zumindest in dieser Phase der Sonne. Später würden aus ihren Mittelbeinen bunte Flügel werden. Sie würden Waldelfen sein und überhaupt nicht mehr hineinpassen. Doch momentan sahen sie wie kleine Leute aus, wie sie so in den inneren Zimmern umherhuschten.
»Sie haben mich sehr gern. Sie können immer zurück zu den Bäumen gehen, wenn sie wollen, aber ich lege kleine Stückchen Essen in die Zimmer, und sie kommen jeden Tag zu Besuch.« Sie zog an einem kleinen Messinggriff, und ein Stück von einem Fußboden kam wie eine Schublade aus einer Vitrine. Drinnen befand sich ein sinnreiches Labyrinth auf verschiebbaren hölzernen Trennwänden. »Ich experimentiere sogar mit ihnen, wie Papa mit uns spielt, bloß viel einfacher.« Ihre Babyaugen schauten beide nach unten, sodass sie Unnerbeis Reaktion nicht sah. »Ich tropfe bei diesem Ausgang ein bisschen Honig hin, dann lasse ich sie am anderen Ende herein. Dann messe ich, wie lange es dauert… Oh, du hast dich verlaufen, nicht wahr, Kleiner? Du bist jetzt seit zwei Stunden hier. Tut mir Leid.« Sie streckte ungeziert eine Esshand in den Kasten und hob den Kanker behutsam auf ein Fensterbrett bei den Farnen. »He, he« – das Kichern klang ganz nach Scherkaner –, »manche von ihnen sind viel dümmer als andere – oder vielleicht ist es Glück. Wie soll ich denn nun seine Zeit messen, wenn er überhaupt nie durch das Labyrinth kommt?«
»Ich… weiß nicht.«
Sie wandte ihm das Gesicht zu, und ihre schönen Augen schauten zu ihm auf. »Mama sagt, mein kleiner Bruder heißt nach dir. Hrunkner?«
»Ja, ich glaube, das stimmt schon.«
»Mama sagt, du bist der beste Ingenieur auf der Welt. Sie sagt, du kannst sogar Papas verrückte Ideen wahr machen. Mama möchte, dass du uns gern hast.«
Der Blick eines Kindes war etwas Eigenartiges. Er war so gerichtet. Der Angeschaute konnte unmöglich so tun, als wäre nicht er gemeint. Die ganze Peinlichkeit und der Schmerz des Besuchs schienen sich in diesem einen Augenblick zu sammeln. »Ich hab euch gern«, sagte er.
Viktoria junior schaute ihn noch einen Moment lang an, dann glitt ihr Blick beiseite. »In Ordnung.«
Sie aßen mit den Kupplis oben im Atrium zu Mittag. Die Wolkendecke wurde allmählich weggebrannt, und es wurde heiß, zumindest für einen Weißenberger Frühlingstag in neunzehnten Jahr. Sogar unter dem Vordach war es warm genug, um aus jedem Gelenk ins Schwitzen zu kommen. Den Kindern schien es nichts auszumachen. Sie waren noch von dem Fremden gefesselt, der ihrem kleinen Bruder den Namen gegeben hatte. Mit Ausnahme von Viki waren sie so aufgedreht wie eh und je, und Unnerbei tat sein Bestes, darauf einzugehen.
Als sie mit dem Essen fertig wurden, erschienen die Lehrer der Kinder. Sie sahen aus wie Studenten aus dem Institut. Die Kinder würden niemals in eine richtige Schule gehen müssen. Würden sie es deswegen etwa leichter haben?
Die Kinder wollten, dass Unnerbei während ihres Unterrichts bliebe, doch Scherkaner wollte davon nichts wissen. »Konzentriert euch aufs Lernen!«, sagte er.
Und so war der schwerste Teil des Besuchs vorbei – hoffentlich. Abgesehen von den Babies, waren Unterberg und Unnerbei wieder allein im kühlen Erdgeschoss des Instituts. Eine Zeit lang sprachen sie über Unnerbeis spezifische Bedürfnisse. Selbst wenn Scherkaner
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