Eine Tiefe Am Himmel
sich immer darüber gewundert; Sura konnte raffiniert sein.
Wie lange würden Reynolt und Brughel brauchen, um ihre Leute in den Gebrauch der Orter einzuüben? Es gab mehr als genug von den Geräten, um die Stabilisierungsarbeiten bei L1 durchzuführen und ebenso alle Wohnräume zu überwachen. Bei der dritten Mahlzeit hatten ein paar von den Nachrichtenleuten etwas von Dornen am Hauptkabelstrang des Temps erzählt. Zehnmal pro Sekunde lief ein Mikrowellenimpuls durch das Temp – genug drahtlose Energie, um die Orter gut zu versorgen. Kurz vor Beginn der Schlafenszeit hatte er bemerkt, wie die ersten von den Staubkörnchen durch den Ventilator hereingeweht kamen. Jetzt eben waren Brughel und Reynolt wahrscheinlich dabei, das System zu eichen. Brughel und Nau würden sich zur Qualität von Ton und Bild gratulieren. Mit etwas Glück würden sie schließlich ihre eigenen plumpen Spionagegeräte ausmustern; selbst wenn er nicht so viel Glück hatte… nun ja, in ein paar Megasekunden würde er imstande sein, die Berichte von ihnen zu manipulieren.
Etwas, das kaum schwerer als ein Staubkorn war, setzte sich auf seine Wange. Er machte eine Bewegung, als wolle er sich übers Gesicht wischen, und platzierte dabei das Körnchen direkt neben seinem Augenlid. Ein paar Augenblicke später schob er ein anderes tief in seinen rechten Gehörgang. Es war schon eine Ironie, wenn man bedachte, welchen Aufwand die Aufsteiger getrieben hatten, als sie verdächtige Eingabe/Ausgabe-Geräte abschalteten.
Die Orter leisteten alles, was Pham Tomas Nau gesagt hatte. Genauso, wie es derlei Geräte die ganze menschliche Geschichte hindurch getan hatten, orteten diese einander im geometrischen Raum – eine einfache Übung, weiter nichts als eine Laufzeitberechnung. Die Dschöng-Ho-Versionen waren kleiner als die meisten, konnten über kurze Entfernungen drahtlos mit Energie versorgt werden und besaßen einen einfachen Satz Sensoren. Sie gaben großartige Spionagegeräte ab, genau das, was Tomas Nau brauchte. Orter waren von Natur aus eine Art Computernetz, im Grunde ein verteilter Prozessor. Jedes Staubkörnchen besaß einen kleinen Teil Rechenkapazität – und sie kommunizierten miteinander. Ein paar Hunderttausend von ihnen, über das Kauffahrer-Temp verstreut, waren mehr Rechenkapazität als die gesamte Ausrüstung, die Nau und Brughel an Bord gebracht hatten. Natürlich verfügten alle Orter – sogar die Brocken der Aufsteiger – über solches Rechenpotenzial. Das wahre Geheimnis der Dschöng-Ho-Version bestand darin, dass keine zusätzliche Schnittstelle benötigt wurde, weder für die Ein- noch für die Ausgabe. Wenn man das Geheimnis kannte, hatte man direkt Zugang zu den Ortern, indem man sie seine Körperposition wahrnehmen ließ, die richtigen Codes deuten und mit ihren Ausführungsbauteilen antworten ließ. Es spielte keine Rolle, dass die Aufsteiger alle Endschnittstellen aus dem Temp entfernt hatten. Jetzt befand sich eine Dschöng-Ho-Schnittstelle rings um sie – für jeden, der die Geheimnisse kannte.
Der Zugriff erforderte besondere Kenntnisse und etwas Konzentration. Es war nichts, was zufällig oder unter Zwang geschehen konnte. Pham entspannte sich in der Hängematte, teils, um vorzutäuschen, er schlafe endlich ein, teils, um in die Stimmung für seine bevorstehende Arbeit zu kommen. Er brauchte ein bestimmtes Muster von Herzschlägen, einen bestimmten Atemrhythmus. Erinnere ich mich überhaupt noch daran, nach all der Zeit? Der Augenblick heftiger Panik überraschte ihn. Ein Körnchen neben seinem Auge, ein anderes im Ohr – das sollte genügen, um die anderen Orter auszurichten, die im Zimmer schweben mussten. Das sollte genügen.
Doch die richtige Stimmung wollte sich noch nicht einstellen. Er dachte zurück an Anne Reynolt und an das, was Trud Silipan ihm gezeigt hatte. Die Fokussierten würden seine Pläne durchschauen; es war nur eine Frage der Zeit. Fokus war ein Wunder. Pham Nuwen hätte aus der Dschöng Ho ein echtes Imperium machen können – trotz Suras Verrat –, wenn er nur fokussierte Werkzeuge besessen hätte. Ja, der Preis war hoch. Pham erinnerte sich an die Reihen von Zombies oben im Dachgeschoss von Hammerfest. Er sah ein Dutzend Möglichkeiten, das System sanfter zu machen, doch letzten Ende würde, um fokussierte Werkzeuge zu benutzen, immer etwas geopfert werden müssen.
War der endgültige Erfolg, ein echtes Dschöng-Ho-Imperium, diesen Preis wert? Konnte er ihn bezahlen?
Ja und nochmals
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