Eine Tiefe Am Himmel
Bewusstlosigkeit abklang…
Und dann lockerten die Hände ihren Griff. Ringsum blitzten Leuchtkäfer mit grellweißem Licht auf, und Dutzende von kleinen Knallgeräuschen erklangen. Er schnappte benommen nach Luft und versuchte zu verstehen. Pham ließ die Kondensatoren in allen Ortern in der Nähe durchknallen! Die spitzen Blitze zeigten Pham Nuwen in hellen Momentaufnahmen, dazwischen Schwärze. In seinen Augen lag ein funkelnder Wahnsinn, den Ezr noch nie gesehen hatte.
Die Lichter blitzten nun weiter entfernt; die Zerstörung breitete sich aus. Ezrs Stimme kam als entsetztes Krächzen: »Pham. Unsere Tarnung. Ohne die Orter…«
Die letzten von den winzigen Blitzen zeigten ein verzerrtes Lächeln auf dem Gesicht des anderen. »Ohne die Orter sind wir tot! Tot, kleiner Vinh. Mich kümmert es nicht mehr.«
Ezr hörte, wie er kehrtmachte und sich wegstieß. Zurück blieben Dunkelheit und Stille – und Tod, der nur noch Kilosekunden entfernt sein konnte. So sehr sich Ezr auch anstrengte, er fand keine Spur von Orter-Unterstützung.
Was tust du, wenn dein Traum stirbt? Pham schwebte allein in der Dunkelheit seines Zimmers und überdachte die Frage mit einer Art Neugier, fast gleichgültig. Am Rande seines Bewusstseins nahm er das klaffende Loch wahr, das er ins Orternetz gerissen hatte. Das Netz war robust. Dieser Riss wurde den Schnüfflern der Aufsteiger nicht automatisch offenbart. Doch bei sorgfältiger Überprüfung würde die Nachricht von dem Ausfall schließlich zu ihnen durchdringen. Vage nahm er wahr, dass Ezr sich verzweifelt bemühte, das Loch zu kaschieren. Überraschenderweise hatte der Junge alles nicht noch schlimmer gemacht, aber er hatte keine Chance, auf höherer Ebene eine Tarnung einzuziehen. Ein paar hundert Sekunden höchstens, und Kal Omo würde Brughel alarmieren… und das Versteckspiel wäre vorbei. Es spielt wirklich keine Rolle mehr.
Was tust du, wenn dein Traum stirbt?
In jedem Leben sterben Träume. Jeder wird alt. Es gibt Verheißungen am Beginn des Lebens, wenn alles so hell erscheint. Die Verheißungen verblassen, wenn die Jahre schwinden.
Nicht aber Phams Traum. Er hatte ihn über fünfhundert Lichtjahre und dreitausend Jahre objektiver Zeit hinweg verfolgt. Es war der Traum von einer einzigen Menschheit, wo Gerechtigkeit kein gelegentlich aufflackerndes Licht wäre, sondern ein stetiges Leuchten über den ganzen Menschenraum hinweg. Er träumte von einer Zivilisation, wo niemals Kontinente brannten und wo keine Hinterhofkönige Kinder als Geiseln weggaben. Als Sammy ihn im Friedhaus von Grundasche ausgegraben hatte, war Pham am Sterben gewesen, nicht aber sein Traum. Der Traum war in seinem Geist hell wie eh und je gewesen, hatte ihn verzehrt.
Und hier hatte er das Mittel gefunden, das den Traum wahr machen konnte: Fokus, eine Automatik, die gründlich genug und klug genug war, um eine interstellare Zivilisation zu verwalten. Fokus konnte die ›liebevollen Sklaven‹ liefern, über deren Möglichkeit Sura gespottet hatte. Und wenn es just Sklaverei war? Es gab Schlimmeres, was der Fokus ein für allemal bannen würde.
Vielleicht.
Er hatte den Blick von Egil Manhri abgewandt, der jetzt kaum mehr als eine Suchmaschine war. Er hatte von Trixia Bonsol weggeschaut und von all den anderen, die jahrelang in ihren winzigen Zellen eingesperrt waren. Doch gestern war er gezwungen gewesen, Anne Reynolt anzuschauen, wie sie allein gegen die gesamte Macht des Fokus stand, ihr Leben daran setzte, dieser Macht zu widerstehen. Die Einzelheiten waren für Pham eine große Überraschung gewesen, doch er hatte sich etwas vorgemacht, wenn er glaubte, derlei gehöre nicht zu dem Preis, den sein Traum fordern würde. Anne war Cindi Ducanh im Großen.
Und heute Ezr Vinh und seine kleine Rede: »Der Preis ist zu hoch!« Ezr Vinh!
Schon einmal hatte sich eine Vinh zwischen ihn und seinen endgültigen Erfolg gestellt. Soll die Schlange Vinh sterben. Sollen sie doch alle sterben. Soll ich sterben.
Pham krümmte sich in sich zusammen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er weinte. Außer zur Täuschung hatte er nicht mehr geweint, seit… er erinnerte sich nicht… vielleicht seit jenen Tagen am anderen Ende seines Lebens, als er zum ersten Mal an Bord der Reprise gekommen war.
Was also tust du, wenn dein Traum stirbt?
Wenn dein Traum stirbt, gibst du auf.
Und was bleibt dann? Lange Zeit weilte Phams Geist in einem Nichts. Und dann wurde er wieder der Bilder vom Orternetz gewahr, die
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