Eine Tiefe Am Himmel
Hülsenmeister. Trinli ist nützlich, und wir haben ihn in der Hand. Er ist ein heimtückischer Fuchs, aber er ist unser Fuchs.«
Richtig. Trinli hatte bei den Aufsteigern viel zu gewinnen und noch mehr zu verlieren, wenn die Dschöng Ho jemals von seiner Verräterrolle in der Vergangenheit erfuhr. Wache für Wache hatte der alte Mann jede Probe Naus bestanden und war dabei immer nützlicher geworden. Im Rückblick war der Busche immer genau so schlau gewesen, wie er sein musste. Das war natürlich das stärkste Indiz gegen ihn. Eiter und Pest. »In Ordnung, Ritser, ich möchte, dass Sie und Anne die Vorbereitungen treffen, damit wir bei Trinli und Vinh im Handumdrehen die Stecker ziehen können. Jau Xin werden wir auf alle Fälle am Leben erhalten müssen – aber wir haben Rita, um ihn bei der Stange zu halten.«
»Was ist mit Qiwi Lisolet, Hülsenmeister?« Ritsers Gesicht war ausdruckslos, doch der Hülsenmeister wusste, dass direkt unter der Oberfläche ein kleines Grinsen lauerte.
»Ah… ich bin sicher, dass Qiwi es herausfinden wird; vielleicht müssen wir sie bis zum kritischen Punkt ein paarmal blank schrubben.« Aber mit etwas Glück könnte sie sich ganz am Schluss als nützlich erweisen. »Gut. Das sind unsere speziellen Problemfälle, aber wenn wir Pech haben, könnte fast jeder auf die Wahrheit stoßen. Überwachung und Eingreifbereitschaft müssen auf höchstem Niveau sein.« Er nickte seinem Vize-Hülsenmeister zu. »Das wird harte Arbeit, das nächste Jahr. Die Krämer sind fähige, engagierte Leute. Wir werden sie im Dienst brauchen, bis die Aktion beginnt – und viele von ihnen danach. Die einzige Pause kann während der Machtübernahme selbst eintreten. Es ist plausibel, dass wir sie dann einfach nur zuschauen lassen.«
»Und ihnen bei der Gelegenheit die Geschichte von unseren edlen Bemühungen auftischen, den Völkermord zu begrenzen.« Ritser lächelte, von der Herausforderung angetan. »Das gefällt mir.«
Sie verfassten den allgemeinen Plan. Anne und ihre Blitzköpfe würden die Einzelheiten ausarbeiten. Ritser hatte Recht: Das würde heikler werden als die Sache mit Diem. Andererseits, wenn sie den Schwindel auch nur bis zur Machtübernahme aufrechterhalten konnten…, würde es vielleicht genügen. Wenn er erst einmal die Arachna unter Kontrolle hatte, konnte er unter Spinnen und Dschöng Ho auswählen, die Besten von beiden Welten. Und den Rest abschreiben. Die Aussicht war eine kühle Oase am Ende seiner langen, langen Reise.
FÜNFUNDVIERZIG
Wieder war das Dunkel über sie gekommen. Fast spürte Hrunkner das Gewicht traditioneller Werte auf seinen Schultern. Für die Trads – und im tiefsten Inneren würde er immer einer sein – gab es eine Zeit, um geboren zu werden, und eine Zeit zu sterben; die Wirklichkeit lief in Zyklen ab. Und der größte Zyklus war der Sonnenzyklus.
Hrunkner hatte nun zwei Sonnen erlebt. Er war ein alter Kupp. Als das Dunkel voriges Mal gekommen war, war er jung gewesen. Es war ein Weltkrieg im Gange gewesen, und ernster Zweifel hatte bestanden, ob sein Land überleben würde. Und diesmal? Es gab kleinere Kriege überall auf dem Globus. Doch der große hatte sich nicht ereignet. Wenn er kam, wäre Hrunkner zum Teil verantwortlich. Und wenn nicht – nun ja, er dachte gern, dass er auch dafür zum Teil verantwortlich wäre.
So oder so, die Zyklen waren für immer zerbrochen. Hrunkner nickte dem Korporal zu, der ihm die Tür offenhielt. Er trat auf reifbedeckte Steinplatten hinaus. Er trug dicke Stiefel, Überhänge und Ärmel. Die Kälte nagte an seinen Handspitzen, verbrannte seine Atemwege sogar noch hinter dem Atemwärmer. Die Reihe der Hügel von Weißenberg hielt den schlimmsten Schnee fern; das und die tiefe Anlegestelle am Fluss waren die Gründe, warum die Stadt Zyklus um Zyklus immer wieder neu erstanden war. Doch es war ein später Nachmittag im Sommer – und man musste suchen, um die trübe Scheibe zu finden, die die Sonne war. Die Welt war über die sanfte Freundlichkeit der Jahre des Schwindens hinaus, sogar über das Frühdunkel. Sie stand am Rande des thermischen Zusammenbruchs, da abklingende Stürme immer um und um wehen würden, das letzte Wasser aus der Luft pressen und Zeiten den Weg bahnen, die viel kälter sein würden, bis hin zur endgültigen Ruhe.
In früheren Generationen wären alle außer Soldaten mittlerweile in ihren Tiefen. Selbst in seiner Generation, im Großen Krieg, kämpften nur die zähesten
Weitere Kostenlose Bücher