Eine Tiefe Am Himmel
fliegen. Es würde ein sehr kurzer Satz sein, keine zwei Millionen Kilometer, nach zivilisierten Maßstäben kaum ein Wechsel des Anlegeplatzes. Es war so ziemlich das Beste, wozu irgendeins von den verbliebenen Sternenschiffen noch imstande war.
Jau Xin hatte die Flugvorbereitungen der Unsichtbare Hand überwacht. Die Hand war immer Ritser Brughels transportables Privatlehen gewesen, doch Jau wusste, dass sie auch das einzige Sternenschiff war, das im Laufe der Jahre nicht völlig ausgeschlachtet worden war.
An den Tagen, ehe ihre ›Passagiere‹ an Bord gingen, hatte Jau aus der L1-Raffinerie alles an Wasserstoff herausgequetscht. Es waren nur ein paar tausend Tonnen, ein Tröpfchen in den Millionen Tonnen fassenden Starttanks des Staustrahl-Triebwerks, aber genug, um sie über die Entfernung zwischen L1 und der Spinnenwelt zu bringen.
Jau und Pham Trinli führten die abschließende Inspektion der Triebwerksdüse des Sternenschiffes durch. Es war immer seltsam, die Enge von zwei Metern zu betrachten. Hier hatten Jahrzehnte lang die Kräfte der Hölle gebrannt und das Dschöng-Ho-Schiff bis auf dreißig Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Die innere Oberfläche war mikrometerglatt. Das einzige Anzeichen ihrer feurigen Vergangenheit was das Fraktalmuster von Gold und Silber, das im Schein ihrer Anzuglampen glitzerte. Es war das Mikronetz von Prozessoren hinter diesen Wänden, das eigentlich die Felder lenkte, doch wenn die Düsenwandung unterwegs Löcher bekam, würden nicht einmal die schnellsten Prozessoren im Universum sie retten. Wie üblich machte Trinli um seine lasermetrische Inspektion viel Aufhebens, dann äußerte er sich abfällig über die Ergebnisse. »Da sind neunzig Mikron Einbuchtung auf der Backbordseite – aber was soll’s? Man könnte hier seinen Namen in die Wände ritzen, und auf diesem Flug würde es keine Rolle spielen. Was hast du vor, ein paar hundert Kilosek bei einen Bruchteil von einem g?«
»Hm. Wir werden mit einem langen sanften Schub anfangen, aber bremsen werden wir tausend Sekunden bei etwa über einem g.« Das würden sie erst tun, wenn sie tief über offenem Ozean waren. Alles andere würde den Himmel der Arachna heller als die Sonne erleuchten, und jede Spinne auf dieser Seite des Planeten würde es sehen.
Trinli winkte lässig ab. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich habe viele Male bei einem Flug im System mehr riskiert.« Sie krochen auf der Bugseite der Düse heraus; die glatte Oberfläche weitete sich zu der Stelle hin, wo die Vorder-Feldprojektoren begannen. Die ganze Zeit über fuhr Trinli mit seinen Lügengeschichten fort. Nein. Die meisten Geschichten konnten wahr sein, aber aus all den wirklichen Abenteurern zusammengestückelt, die der alte Mann jemals gekannt hatte. Trinli wusste durchaus einiges über Schiffstriebwerke. Die Tragödie war, dass sie niemanden hatten, der viel mehr wusste. Alle Flugingenieure der Dschöng Ho waren beim ersten Kampf umgekommen – und der letzte Blitzkopf-Ingenieur der Hülse war dem Ausbruch der Geistfäule zum Opfer gefallen.
Sie kamen aus dem Bugende der Hand und kletterten ein Haltetau entlang zu ihrem Taxi. Trinli hielt inne und wandte sich um. »Ich beneide dich, Jau, mein Junge. Schau dir dein Schiff an! Fast eine Million Tonnen Leergewicht! Du wirst nicht weit fliegen, aber du wirst die Hand zu dem Schatz und den Kunden bringen, die zu finden sie fünfzig Lichtjahre zurückgelegt hat.«
Jau folgte mit dem Blick der weit ausholenden Geste. Im Laufe der Jahre hatte Jau erkannt, dass Trinlis Theatralik eine Tarnung war… aber manchmal griff sie einem an die Seele. Die Unsichtbare Hand sah durchaus sternentüchtig aus, hundert Meter um hundert Meter gekrümmte Rumpfhülle, die sich in die Ferne erstreckte, stromlinienförmig für Geschwindigkeiten und eine Umwelt am Ende all dessen ausgelegt, was Menschen jemals erreicht hatten. Und hinter den Heckringen – anderthalb Millionen Kilometer entfernt – war fahl und trübe die Scheibe der Arachna zu erkennen. Ein Erstkontakt, und ich werde der Pilotenverwalter sein. Jau hätte stolz sein müssen…
Jaus letzter Tag vor dem Abflug war mit Arbeit angefüllt, mit letzten Überprüfungen und Vorkehrungen. Es würden über hundert Leute an Bord sein, Blitzköpfe und Personal. Jau erfuhr nicht, welche Fachgebiete im Einzelnen vertreten waren, doch offensichtlich wollten die Hülsenmeister die Datennetze der Spinnen intensiv manipulieren, ohne die zehn Sekunden
Weitere Kostenlose Bücher