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Eine Tiefe Am Himmel

Eine Tiefe Am Himmel

Titel: Eine Tiefe Am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Teichen der Königsberg-Tiefe an den Rücken seines Vaters geklammert hatte).
    Das Erwachen vom Dunkel geschah stückchenweise. Gesicht, Gefühl, Gehör. Gedächtnis, Erkennungsvermögen, Denken. Kamen sie eins nach dem anderen? Oder kamen sie alle gleichzeitig, aber ohne dass die Teile miteinander in Verbindung standen? Wo nahm aus all den Teilen der ›Geist‹ seinen Anfang? Die Fragen würden Scherkaners Phantasie sein ganzes Leben lang beschäftigen, die Grundlage seiner letzten Suche… Doch in jenen Augenblicken des aufgespaltenen Bewusstseins gab es daneben Ereignisse, die viel wichtiger zu sein schienen: zu sich zu kommen, sich zu erinnern, wer er war, warum er hier war und was sofort getan werden musste, um zu überleben. Die Instinkte einer Million Jahre hatten das Steuer übernommen.
    Die Zeit verging, und das Denken sammelte sich, und Scherkaner Unterberg schaute durch das gesprungene Fenster seines Fahrzeugs hinaus in die Dunkelheit. Da war eine Bewegung – Dampfwolken? Nein, eher wie ein Schleier von Kristallen, die in dem trüben Licht wirbelten, auf dem sie schwebten.
    Jemand stieß gegen seine rechte Schulter, rief wieder und wieder seinen Namen. Scherkaner setzte Erinnerungen zusammen. »Ja, Feldwebel, ich bin weg… ich meine wach.«
    »Hervorragend.« Unnerbeis Stimme klang blechern. »Sind Sie verletzt? Sie kennen die Übungen.«
    Scherkaner wackelte pflichtschuldig mit den Beinen. Sie taten alle weh, das war ein guter Anfang. Mittelhände, Vorderhände, Esshände. »Ich bin nicht sicher, ob ich die Mittel und Vorder rechts spüre. Vielleicht hängen sie zusammen.«
    »Hm ja. Wahrscheinlich noch gefroren.«
    »Wie geht es Gil und Amber?«
    »Ich rede über die anderen Kabel mit ihnen. Sie sind der letzte, der zu sich kommt, aber bei ihnen sind größere Teile des Körpers noch gefroren.«
    »Geben Sie mir das Kabelende.« Unnerbei reichte ihm das Schallübertragungsgerät, und Scherkaner sprach direkt mit den anderen Gruppenmitgliedern. Der Körper kann eine Menge Ungleichmäßigkeiten beim Auftauen vertragen, doch wenn der Prozess nicht zum Ende kommt, setzt Wundbrand ein. Das Problem war hier, dass die Beutel mit Exotherm und Treibstoff sich verschoben hatten, als das Boot sich seinen Weg zur Oberfläche schmolz. Scherkaner ordnete die Beutel wieder und ließ Schlamm und Luft hindurchströmen. Das grüne Leuchten in ihren winzigen Hüllen nahm zu, und Scherkaner machte sich das Licht zu Nutze, um nach Löchern in ihren Atemröhren zu suchen. Die Exotherms waren unerlässlich für die Wärme, doch wenn die Gruppe mit ihnen um den Sauerstoff wetteifern müsste, wäre die Gruppe der Verlierer – und tot.
    Eine halbe Stunde verging, während die Wärme sie einhüllte, ihre Glieder befreite. Der einzige Frostschaden betraf die Spitzen von Gil Havens Mittelhänden. Das war ein besseres Ergebnis als in den meisten Tiefen. Ein breites Lächeln breitete sich über Scherkaners Gesicht aus. Sie hatten es geschafft, hatten sich selbst im Tiefsten Dunkel geweckt.
    Die vier ruhten sich noch eine Weile aus, beobachteten den Luftstrom, übten Scherkaners Plan zur Regulierung der Exotherms. Unnerbei und Amberdon Nishnimor gingen eine detaillierte Checkliste durch, reichten verdächtige und defekte Teile zu Scherkaner herüber. Nishnimor, Haven und Unnerbei waren sehr kluge Leute, eine Chemikerin und zwei Ingenieure. Doch sie waren auch Berufssoldaten. Scherkaner fand die Veränderung faszinierend, die über sie kam, als sie das Labor verließen und ins Feld zogen. Insbesondere Unnerbei war solcherart geschichtet: hartgesottener Kämpfer über phantasievollem Ingenieur, und darunter verborgen lag eine traditionelle, geradlinige Moral. Scherkaner kannte den Feldwebel jetzt seit sieben Jahren. Die ursprüngliche Verachtung des Burschen für Unterbergs Pläne war längst vorüber, sie waren eng befreundet gewesen. Doch als sich ihre Gruppe schließlich an die Ostfront begab, wurde sein Verhalten distanziert. Er begann Unterberg zu siezen und als ›Herr‹ anzureden, und manchmal hatte seine respektvolle Haltung einen Anflug von Ungeduld.
    Er hatte Viktoria danach gefragt. Es war das letzte Mal, dass sie zusammen allein waren, in einer kalten Bunkerkaserne neben dem Flugplatz an der Ostfront, der als letzter noch in Betrieb war. Sie lachte über die Frage. »Ach, lieber Weicher, was erwartest du denn? Hrunk wird das operative Kommando führen, sobald die Gruppe befreundetes Territorium verlässt. Du bist der

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