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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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von 30 Minuten, wenn nicht sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Bei Julia Wenger ging man von einem Kreislaufkollaps aus, erst dem Notarzt fielen ihre unnatürlich verengten Pupillen auf. Da war es schon zu spät für sie."
    "Der Fall ist also ungelöst", stellte ich fest.
    "So ist es", bekräftigte Ruth.
    "Und an allen Verdächtigen blieb ein Makel haften", setzte ich nachdenklich hinzu.
    "Für sie hat sich das Leben verändert." Ruth nickte. "Die ursprünglich Hauptverdächtige hat die Schule verlassen und ist auf ein Schweizer Internat gewechselt. Auch Melissa wurde nahe gelegt, sich eine andere Schule zu suchen. Bei ihr lag der besondere Fall vor, dass man nicht sicher sein konnte, ob der Mordanschlag nicht doch vielleicht ihr gegolten hatte. Sie ist deshalb regelrecht untergetaucht. Das Abitur hat sie auf einem Gymnasium in einer kleinen, weit entfernten Kreisstadt abgelegt. Niemand kannte ihre neue Anschrift, sie schloss nicht einmal Handyverträge ab und löschte ihre Facebookseite. Nur eines konnte sie nicht verbergen: Ihre Begabung für die Malerei. Die hat sie nun hierher geführt, als Schülerin von Professor Tietze-Mühlberger."
    "Haben ihre Adoptiveltern sich etwa wegen dieser Sache von ihr distanziert?", fragte ich. Dass sie Melissa nicht beigestanden haben könnten, erschien mir ungeheuerlich. Das wäre ja fast einer Verurteilung gleichgekommen.
    Ruth nickte: "Es sieht ganz danach aus. Sie wollten wohl nicht mit einem Mordfall in Verbindung gebracht werden. Es kam ihnen sicher sehr gelegen, dass das Adoptionsverhältnis zu diesem Zeitpunkt schon aufgelöst worden war und Melissa ihren Mädchennamen Morgenroth wieder angenommen hatte. So blieb der Name von Werlitz aus der Sache heraus."
    Vieles erschien nun klarer, doch eine wichtige Frage bewegte mich noch. Wer hatte diese Zeitungsausschnitte in meinen Briefkasten gesteckt?
    Als könnte sie meine Gedanken lesen, stellte Ruth in diesem Moment die gleiche Frage und erkundigte sich nach der Beschaffenheit des Briefes.
    "Kein Stempel und natürlich kein Absender", sagte ich. "Ich habe das für eine Postwurfsendung mit irgendwelcher Werbung gehalten und auch erst verspätet aufgemacht. Jemand muss es direkt in meinen Briefkasten gesteckt haben."
    "Jemand, der sehr genau über dich Bescheid weiß. Der deine Anschrift kennt und deine Patienten und sich die Mühe macht, persönlich Post einzuwerfen. Das ist schon unheimlich."
    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so viel Einblick hat, von Melissa einmal abgesehen. Aber wieso sollte sie mir die Zeitungsausschnitte geschickt haben? Was ergibt das für einen Sinn?"
    Je länger ich jedoch darüber nachdachte, umso wahrscheinlicher erschien mir diese Möglichkeit. Melissa hatte versucht, die Geschehnisse in Dahrenried vor mir geheim zu halten. Doch nachdem sie sich versprochen hatte, musste sie damit rechnen, dass ich mich darüber kundig machen würde. Das könnte als ständiger Druck auf ihr gelastet haben, weshalb sie nun auf ungewöhnliche Art eine Entscheidung herbeigeführt hatte. Ich teilte Ruth meinen Überlegungen mit und sie stimmte mir zu: "Das nehme ich auch an. Aber es ist mehr als nur das, es ist gleichzeitig ein Test. Sie will wissen, wie du darauf reagierst. Ob du sie so annehmen kannst, mit diesem ungeklärten Verdacht, meine ich. Ob du aufrichtig ihr gegenüber bist und mit ihr darüber sprechen wirst. Wenn Patienten solche Spielchen anfangen, wird es schwierig. Du musst sehr vorsichtig sein."
    Mir fiel auf, dass Ruth diese Äußerung nun schon zum zweiten Mal in Bezug auf Melissa gemacht hatte. Diesmal lachten wir nicht darüber.

11.
    Melissa reagierte wenig überrascht, als ich sie zu Beginn der Therapiestunde auf die Ereignisse in Schloss Dahrenried ansprach, so dass meine Überzeugung, nur sie könnte mir den Brief zugespielt haben, sprunghaft anstieg.
    "Ich wusste, dass du es irgendwann erfährst", sagte sie. "Nimmst du mir sehr übel, dass ich es dir nicht gleich gesagt habe?" Ihre Augen wurden plötzlich ganz dunkel und schmal, mit leicht geöffnetem Mund sah sie mich lauernd an. Verblüffenderweise erschien sie mir einen Moment lang fast hässlich.
    "Melissa", sagte ich, "wie kommst du darauf, dass ich dir etwas übel nehmen könnte. Eine Therapie ist schließlich kein Verhör. Was du mir sagen willst, bleibt immer deine freie Entscheidung. Und auch wann du es mir sagst."
    Melissa entspannte sich sichtlich.
    "Ich habe meine Gründe, weshalb ich nicht darüber reden wollte",

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