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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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oder privat ?"
    Frau Kretschmar sah mich überrascht an. "Das können Sie laut sagen", platzte es dann förmlich aus ihr heraus. "Damals hatte mein Mann seinen zweiten Frühling. Und die passende, wesentlich jüngere Freundin gleich dazu. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und wusste überhaupt nicht, wie ich mich verhalten sollte." Frau Kretschmar war noch immer in erster Ehe verheiratet. Also musste sich die Situation irgendwie geklärt haben. Ich fragte sie danach.
    "Das mit der Freundin dauerte fast ein Jahr", sagte sie. "Als ich mich gerade entschieden hatte, mir das nicht länger bieten zu lassen und die Scheidung einzuleiten, da war aus der Beziehung der Beiden plötzlich die Luft raus. Mein Mann war ihr zu alt und sie ihm zu anstrengend. Er hat mich förmlich angefleht, ihm zu verzeihen und es noch einmal miteinander zu versuchen. So leicht wollte ich ihm das dann aber auch nicht machen. Wir haben über viele Wochen sehr intensiv miteinander geredet, wesentlich mehr als in den zehn Jahren davor zusammengenommen. Danach lief es mit unserer Ehe besser als zuvor."
    "Und der Drang etwas zu stehlen?", hakte ich nach.
    "Hatte sich in Luft aufgelöst", erwiderte Frau Kretschmar. Jetzt waren wir am entscheidenden Punkt angelangt:
    "Was müsste geschehen, damit er sich wieder in Luft auflöst?"
    "Die karrieregeile Tussi müsste verschwinden!" Frau Kretschmar spuckte die Antwort förmlich aus und lauschte ihr nach, als sei sie ihr gerade erst richtig aufgegangen. Sie hatte schon zuvor berufliche Schwierigkeiten angedeutet, doch so auf einen Punkt gebracht, hatte sie das bisher nicht. Nun sprach sie ausführlicher darüber. Nach dem altersbedingten Ausscheiden einer Kollegin hatte eine junge Frau deren Platz eingenommen. Diese Kollegin war offenbar sehr forsch und sehr ehrgeizig.
    "Sie müssten sie mal hören", ereiferte sich Frau Kretschmar. "Sie weiß alles und sie kann alles. Und zwar vor allem besser. Ständig redet sie davon, dass wir effizienter und bürgernäher werden müssten. Ich habe nichts gegen vernünftige Vorschläge, aber ich lasse mich nicht gern als Idiotin hinstellen, die während ihrer gesamten bisherigen Tätigkeit nur Mist gebaut hätte!"
    Die Augen von Frau Kretschmar funkelten, sie hatte sich in Rage geredet.
    "Und wissen Sie was das Schlimmste ist?", fuhr sie fort. "Die Kerle fressen ihr alle aus der Hand, sogar den Bürgermeister hat sie glatt um den Finger gewickelt. Sie müssten sie aber auch mal sehen! Lange blonde Haare bis zum Hintern und eine Aufmachung als wäre unser Amt ein Kontakthof." Frau Kretschmar schnaubte verächtlich.
    "Sie haben also immer wieder erleben müssen, dass Ihnen etwas weggenommen wurde, worauf Sie eigentlich Anspruch hatten", fasste ich zusammen. "Zuerst die Zuwendung Ihrer Freundin, dann die Liebe Ihres Mannes und
    nun die Achtung Ihrer Kollegen sowie die berufliche Anerkennung. Jedes Mal haben Sie das als innere Anspannung erlebt."
    "Und dann auch etwas wegnehmen müssen", ergänzte Frau Kretschmar. Sie wirkte verwundert, wie jemand, der gerade aus dem Schlaf erwachte und über die Helligkeit rings umher erstaunt war. "Ich habe sinnlos etwas weggenommen, weil ich mir das Verlorene ja nicht zurückholen konnte", ergänzte sie. Jetzt klang sie resigniert.
    "Können Sie das wirklich nicht? Das bezweifele ich. Sie konnten Ihre Ehe retten und auch Ihre berufliche Position werden Sie mit der richtigen Strategie behaupten können." Ich lächelte ihr aufmunternd zu und sie erwiderte mein Lächeln zaghaft. "Aber darüber reden wir in der nächsten Stunde. Für heute ist unsere Zeit um."
    Ich ermahnte Frau Kretschmar noch, ihre Entspannungsübungen nicht zu vernachlässigen und verabschiedete mich dann von ihr. Schlagartig spürte ich meine eigene Anspannung wieder. Jeden Moment musste Ruth auftauchen und dann würden wir endlich über Melissa reden.

10.
    Ruth wischte meine Entschuldigung, sie Weihnachten mit meinem Anliegen gestört zu haben, mit einer lässigen Handbewegung beiseite. Das Fest habe für sie ohnehin keine so große Bedeutung, gab sie zu verstehen und ein leiser Anflug von Bitterkeit spielte dabei um ihren perfekt geschminkten Mund. Ich wusste, woher er rührte. Ruth hatte keine Kinder und bedauerte das aus tiefstem Herzen. Wenn sie mich ermahnte neben allem Arbeitseifer die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht zu vergessen, klang sie manchmal wie meine Mutter.
    Ich hatte Ruths Frage, wie ich die Festtage verlebt hätte, kurz und knapp beantwortet. Uns

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