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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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insgesamt so wenig Anhaltspunkte haben, ist es vielleicht nicht verkehrt, sich die Familiengeschichte von Melissa mal ein bisschen genauer anzusehen. Alles, was Tobias bisher gesagt hat, war ja rein hypothetisch. Es wäre schon interessant zu wissen, wie die Eltern ums Leben gekommen sind und ob noch weitere Verwandte existieren. Durch die Auflösung einer Adoption werden die ursprünglichen Rechtsverhältnisse wieder hergestellt. Dadurch kann es bei einigen Personen, die wir noch gar nicht kennen, eine ganz neue Interessenlage geben."
    Wenn Johannes das so sagte, klang es plötzlich vernünftig und nicht mehr nur nach jungen Männern, die zu viel Zeit mit Computerspielen verbrachten. Ich würde mit Tobias nach Gröbeneck fahren und versuchen, etwas herauszufinden. Mein Interesse war geweckt.

37.
    Ruth schaute mich nachdenklich an. "Du solltest dich nicht zu sehr vereinnahmen lassen, Iris", sagte sie. "Ermittelnde Pfarrer, Gerichtsmediziner und Psychologen mögen sich zwar im Krimi recht gut machen, doch in der Realität haben sie nichts zu suchen. Du bist Melissas Therapeutin, das genügt. Um die Ermittlungen kümmert sich Gernot Schlüter, er macht seinen Job gut. Außerdem hat Melissa ja schon zwei tapfere Ritter zur Seite, die für ihre angebliche Unschuld unerschrocken in die Schranken reiten."
    Etwas an Ruths Tonfall ließ mich aufhorchen. "Du hast also Zweifel an Melissas Unschuld?"
    "Wie sollte ich die angesichts der Fakten nicht haben?"
    "Du meinst wegen der Häufung von Zufällen, wodurch gleich zweimal eine unbeteiligte Person ums Leben kam?"
    "Das ist gar nicht mal der springende Punkt. Wer auf einem gut besuchten Sportfest eine Getränkeflasche präpariert, der muss damit rechnen, dass sie an andere Personen weitergereicht wird. So riesig war der Zufall also in diesem Falle nicht. Beim zweiten Versuch konnte der Täter sicher sein, dass Melissa allein zu Hause war. Er hatte beobachtet, wie sie Glas und Karaffe für sich bereitstellte. Dass dann plötzlich eine unangemeldete Besucherin auftauchte, die zuerst aus dem Glas trank, ist wirklich ein großer Zufall, aber kein völlig unwahrscheinlicher. So etwas passiert schon. Was mich tatsächlich an der Sache stört, ist etwas ganz anderes: Es ist das offensichtlich in beiden Fällen gleiche Motiv. In den Wengers hatte Melissa endlich eine Ersatzfamilie gefunden. Sie fühlte sich angenommen, durfte sogar regelmäßig mit in den Urlaub fahren, in ihr Traumland Italien, das sie an die glücklichen Urlaubstage mit ihren Eltern erinnerte. Auf einmal, aus einer Laune heraus, wurde ihr all das wieder genommen. Sie hatte nicht einmal mit der Freundin gestritten, sie hatte im Gegenteil immer versucht, ihr alles recht zu machen, und dann wurde sie abgelegt, wie ein alter Pantoffel. Nur weil die Freundin sie als Konkurrentin zu fürchten begann. So etwas tut schon weh. Melissa weinte nicht, sie zürnte nicht mit der Freundin, sie verhielt sich nach außen hin wie immer. Doch wie mag es tief in ihr drin ausgesehen haben? Du hast sie mir als einen Menschen beschrieben, der seine Gefühle nicht zeigt, vor allem die aggressiven nicht. Aber irgendwo müssen sie sich entladen."
    Mit Unbehagen erinnerte ich mich an das Portrait, das Melissa kurz vor Julias Tod von ihr gemalt hatte. Julia trug darauf eine Aster im Haar, die Blume der Verräter. So hatte mir Melissa jedenfalls auf dem Friedhof am Grab ihrer Eltern die Bedeutung dieser Blume erklärt.
    "Nach der großen Enttäuschung zog sich Melissa für lange Zeit von allen Menschen zurück", fuhr Ruth fort. "Bis sie hier mit Professor Tietze-Mühlberger zusammentraf. Zu ihm hatte sie schon durch die gemeinsame Liebe zur Malerei von Anfang an einen besonderen Draht. Er schätzte sie seinerseits, förderte sie und so kam eins zum anderen. Vielleicht war sie nicht gerade leidenschaftlich in ihn verliebt, doch sie war auf jeden Fall von ihm abhängig. Nun wollte er auch noch mit ihr nach Florenz fahren, in die Stadt ihrer Träume. Als sie gerade besonders glücklich war, wiederholte sich ihr Trauma. Mit ein paar dürren Worten nahm man ihr alles weg. Wir wissen natürlich nicht, was Frau Tietze-Mühlberger zu Melissa gesagt haben könnte, doch ihre Freundinnen haben glaubhaft versichert, dass sie nicht nur die Reise, sondern das Verhältnis überhaupt unterbinden wollte. Sie durfte sich sehr sicher fühlen, ihr Mann hätte sich im Falle eines Konflikts immer für sie entschieden. Melissa muss sich schrecklich wehrlos gefühlt

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