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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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gescholtenes Kind, doch ich nahm sie sofort in Schutz.
    "Die Dame hat mich nicht im Geringsten belästigt, wir haben uns nett unterhalten", sagte ich. Doch die Frau war bereits aufgestanden. "Ich muss los, meine Tiere warten", meinte sie. "Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, halten sie sich an die Tiere, die werden sie nie enttäuschen. Und noch einmal vielen Dank für die liebe Einladung." Damit war sie auch schon zur Tür hinaus. Ich zahlte und gab sogar ein großzügiges Trinkgeld. Wegen der Unfreundlichkeit der Bedienung hätte ich es am liebsten ganz unterlassen, doch mein Gefühl sagte mir, dass ich vielleicht noch einmal hierher zurückkehren würde. Als ich auf die Straße trat, war von der Postelse leider keine Spur mehr zu sehen.
    Den Weg zu der Schule, in der ich Frau Gehrke zu treffen hoffte, trat ich tief in Gedanken versunken an. Da lebte meine Frau Niemand, die in Wirklichkeit Brückner hieß, also im gleichen Ort, aus dem Melissa stammte. Auch hatten sich in ihrem Leben offenbar mehr Dramen abgespielt als sie in unserem Gespräch erwähnt hatte. Ihr erstes Kind hatte sie jedenfalls nicht wie behauptet abgetrieben, sondern verleugnet und ausgegrenzt. Vielleicht hätte sie mir ja später davon erzählt, wenn es wirklich zu einer Therapie gekommen wäre. Die meisten Patienten geben solche Wahrheiten nur nach und nach preis, in dem Maße, wie sie Vertrauen fassen. Doch was hatte Frau Brückner den weiten Weg von Gröbeneck bis in unsere Praxis geführt? Bei aller Abneigung gegen Verschwörungstheorien konnte ich nicht an einen Zufall glauben. Eine schlüssige Erklärung hatte ich allerdings ebenfalls nicht.
    Ich erreichte die Schule pünktlich zu Beginn der großen Pause. Das Glück war auf meiner Seite, die erste Lehrerin, die ich ansprach, entpuppte sich als die gesuchte Frau Gehrke. Wenn ich mir eine verbitterte, ältliche Jungfer vorgestellt hatte, so wurde ich angenehm überrascht. Frau Gehrke war eine große, gut aussehende Frau, modisch gekleidet und mit flottem Kurzhaarschnitt. Sie trug auch einen Ehering. Ich hatte mir eine Geschichte ausgedacht, die ich ihr nun vortrug. "Ich interessiere mich für Sagen aus dem Harz", sagte ich, "eventuell will ich ein kleines Buch darüber zusammenstellen." Frau Gehrke nickte mir anerkennend zu, mit meiner Legende hatte ich ihr Interesse geweckt und mir ihr Wohlwollen erworben.
    "Der Hexenturm hat mich nach Gröbeck geführt", fuhr ich fort. "Und da erwähnte eine Bekannte, dass sie einmal einen Maler kannte, der aus diesem Ort stammt, einen Adrian Morgenroth. Er sei leider schon verstorben. Ich habe heute sein Grab besucht, aber ich interessiere mich natürlich vor allem für seine Bilder. Kann man sie irgendwo noch besichtigen?"
    "Leider nicht." Frau Gehrke äußerte es im Tonfall tiefer Betroffenheit. "Sein gesamter künstlerischer Nachlass ist einem schrecklichen Brand zum Opfer gefallen. Es war ein bedeutendes Werk, das er geschaffen hatte. Er stand kurz vor seiner ersten großen Ausstellung, sie hätte ihn garantiert bekannt gemacht. Er hatte wie besessen dafür gearbeitet und nicht auf sich Acht gegeben, sonst würde er noch leben."
    "Woran ist er gestorben?"
    Ihre Ausführungen boten eine ideale Chance, diese Frage anzubringen.
    "An einem Blinddarmdurchbruch, es hätte wirklich nicht sein müssen. Aber erst hat er nicht auf die Schmerzen geachtet, und dann war es zu spät."
    "Das ist wirklich tragisch. Seine Frau und sein Sohn sind doch nur eine Woche danach gestorben, wie konnte das denn geschehen?"
    Das Gesicht von Frau Gehrke nahm plötzlich einen abweisenden Ausdruck an. "Das war eine schreckliche Tragödie, an die man nicht weiter rühren sollte, schon aus Respekt vor den Toten."
    "Selbstverständlich", stimmte ich sofort zu. "Man soll die Toten ruhen lassen. Von Interesse ist nur das Werk, das sie hinterlassen. Ist wirklich nichts geblieben, kein einziges Bild?"
    "Nun ja, kein Bedeutendes. Aber es gibt ein paar ganz frühe Arbeiten von Adrian, die können Sie in unserem Heimatstübchen besichtigen. Das ist allerdings nur mittwochs und freitags geöffnet. In den nächsten vier Wochen bleibt es ganz geschlossen, die Dame, die es ehrenamtlich leitet, hält sich bei ihrer Tochter auf, die gerade ihr erstes Kind zur Welt gebracht hat."
    Nun wusste ich, dass ich auf jeden Fall wiederkommen würde. Ich war jetzt wirklich neugierig auf die Bilder von Adrian Morgenroth und vielleicht war die Leiterin des kleinen Heimatmuseums sogar gesprächiger als Frau

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