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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Limar
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einen anderen gibt es nämlich nicht. Früher gab es hier in der Nähe noch zwei Warten, das waren Wachtürme auf exponierten Geländepunkten vor der Stadt, sie sind aber nicht mehr erhalten. Du siehst, ich habe mich auch ein wenig kundig gemacht."
    Der Turm war ein massiger Rundbau ohne Fenster, er wies nur ganz schmale wie Schießscharten wirkende Öffnungen auf. Aus diesem Gebäude schien jedes Entkommen unmöglich. Tobias schien meine Überlegungen zu teilen. "Da muss der Teufel die Frau wohl in eine Fledermaus verwandelt haben", mutmaßte er. "Aber viel wahrscheinlicher hat ihr ein Komplize ganz profan die Tür geöffnet. Nur ergäbe das keinen so guten Stoff für eine Sage."
    Ich fragte mich, was Melissa an diesem Turm so erschreckt haben könnte. War sie vielleicht Zeugin eines der satanischen Rituale geworden, die hier stattgefunden hatten?
    Hinter dem Zaun tauchte ein Mann auf und schaute zu Tobias und mir herüber. Tobias legte den Arm um mich, ließ sich nach hinten ins Gras fallen und zog mich mit sich. Mein Kopf lag auf seiner Brust, ich spürte seine Wärme und nahm seinen Geruch wahr. Marko hatte stets so intensiv nach einem exklusiven Herrenparfüm gerochen, als hätte er sich stundenlang darin gewälzt. Ich war regelrecht allergisch gegen diesen Duft. Tobias roch nur ganz leicht nach Rasierwasser, vor allem aber nach Sommer, frischem Gras und nach Schweiß. Ich fand seinen Geruch wunderbar. Wenn man den natürlichen Duft eines anderen Menschen mag, dann stimmt die Chemie, das ist eine Wahrheit, die man nicht unterschätzen sollte. Doch im Moment waren mir alle Weisheiten dieser Welt egal, ich fühlte mich einfach nur so wohl wie lange nicht.
    Nachdem der Mann hinter dem Zaun sich davon überzeugt hatte, dass es sich bei uns um ein harmloses Liebespärchen handelte, verschwand er wieder. Tobias fotografierte den Turm so gut es ging von allen Seiten, und dann begaben wir uns zurück zum Auto. Zwei Ortschaften weiter machten wir Station in einer sehr romantischen Gaststätte, die sich in einer alten Mühle befand. Es war schon spät am Nachmittag, als wir uns auf den Heimweg begaben. Tobias fuhr wieder angenehm ruhig und langsam, trotzdem kam mir die Fahrt viel zu kurz vor.
    Noch am gleichen Abend gab ich Gröbeneck und Spedition Brückner in den Computer ein. Prompt landete ich auf einer entsprechenden Website und erfuhr, dass es sich bei Brennstoffhandel und Spedition Brückner um ein Familienunternehmen mit fast hundertjähriger Tradition handelte. Es gab Fotos von Lastwagen auf einem Hof und auch ein Bild, das die Familie in einem Büro zeigte. Frau Brückner saß am Schreibtisch, hinter ihr stand ihr Mann und rechts und links von ihm die beiden Töchter. Der Gesichtsausdruck von Frau Brückner wirkte mürrisch, die beiden jungen Frauen sahen ihr auffallend ähnlich. Herr Brückner war ein recht gut aussehender Mann mit dichtem, grau melierten Haar. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass auch andere Frauen Gefallen an ihm fanden.
    Was jedoch Frau Brückner nach Berlin und in unsere Praxis getrieben hatte, blieb mir ein Rätsel. Natürlich gab es Patienten, die noch viel weitere Fahrten auf sich nahmen, nur um sich von Ruth behandeln zu lassen. Mein Ruhm würde jedoch noch niemanden zu einem derartigen Aufwand veranlassen und es schien sehr fraglich, ob er jemals dazu ausreichen würde. Vielleicht hatte Frau Brückner ja geschäftlich hier in der Gegend zu tun gehabt, vielleicht hatte sie hier Verwandte, vielleicht gab es für ihr Auftauchen eine ganz harmlose und plausible Erklärung.

39.
    Als ich am nächsten Morgen das Haus verließ, warf ich gewohnheitsmäßig einen Blick in den Briefkasten. Darin lag ein unordentlich gefalteter Zettel, auf dem mein Name stand. Im Gehen entfaltete ich ihn. Er enthielt eine in wackligen Druckbuchstaben verfasste Botschaft und eine ungelenke Zeichnung. Im ersten Moment glaubte ich, eine Kritzelei von Kindern vor mir zu haben. Aber was da in fehlerhaftem Deutsch geschrieben stand, hatte durchaus mit mir zu tun:
    LAS MELISA IN RUHE SONST WIRD SIE DICH TÖDEN!!!
    Darunter ein fratzenhaftes Gesicht, um das sich anstelle von Haaren Schlangen ringelten. Ich steckte den Zettel ein und zeigte ihn in der Praxis Ruth. Sie musterte die primitive Zeichnung eingehend. "Das Haupt der Medusa", sagte sie dann. "Die Dame weckt klassische Assoziationen."
    "Also nach klassischer Bildung sieht mir das Geschreibsel aber nicht aus", meinte ich. "Eher nach einer ausgewachsenen

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