Eine tollkuehne Lady
Ian seinen wachsamen Blick auf sie richtete. „Hallo.“
Sie lächelte ihn an, als ihr einfiel, dass sein Sohn sie ganz genauso begrüßt hatte.
„Gleich wird das Essen auf der Terrasse serviert“, flüsterte er. „Ich werde eines der Kindermädchen suchen, damit es auf ihn aufpasst.“ Einen Moment lang legte Ian eine Hand auf den Kopf des müden Kindes. „Warst du brav, während ich fort war?“
„Er war ein Engel“, erwiderte Georgie an Matthews Stelle. „Er hat keine Spur von Boshaftigkeit in sich.“ Sie küsste das zerzauste Haar des Kindes und drückte ihn ein wenig fester an sich. „Ich behalte ihn.“
„Tatsächlich?“ Überrascht sah er sie an. „Ich bin neidisch.“
„Wir müssen reden“, erwiderte sie leise, aber sehr energisch.
Auf seinem Gesicht zeigte sich eine Spur von Unbehagen. Dann nickte er und ging, jemanden zu holen, der sich um das Kind kümmerte.
Als Matthew ein paar Minuten später sicher der Obhut eines der Mädchen übergeben war, schloss Ian die Tür und wandte sich Georgie zu, ohne zu ahnen, dass ihre mütterlichen Gefühle geweckt waren und dass ihr des Kindes wegen ein wenig streitlustig zumute war.
Ein Teil von ihr hätte Ian am liebsten gewürgt, doch sein Verhalten bewies, wie verwundbar er unter der Oberfläche war. Sie beschloss, besser vorsichtig mit ihm umzugehen, denn möglicherweise hatte sie seine Achillesferse gefunden. Sie wollte einige Antworten, aber sie wollte ihm nicht wehtun.
Einen Moment lang überlegte sie, wie sie anfangen sollte, dann entschied sie, dass sie ihn am besten direkt fragen würde. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du einen Sohn hast?“
Er zuckte die Achseln und trat zum Pianoforte. „Es hat sich nicht ergeben.“
„Du hättest es ansprechen können!“, rief sie. „Hast du absichtlich versucht, ihn vor mir zu verstecken, oder hast du nur vergessen, dass es ihn gibt?“
„Weder noch!“ Stirnrunzelnd sah er sie an und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich wünsche dir auch einen guten Tag! “, fügte er hinzu.
„Es tut mir leid, wenn meine Begrüßung dir nicht gefällt, Ian, aber ich fürchte, mein Tag hat mit einem ziemlichen Schock begonnen. Im Allgemeinen sollte man, wenn man einen Heiratsantrag macht, erwähnen, dass man Kinder hat. Existieren noch mehr, von denen ich wissen sollte?“ „Nein!“ Bei dieser Frage errötete er. Dann wandte er sich hastig ab, als wäre er sehr beunruhigt.
Georgie holte langsam Atem, aber der leichte Schmerz, den sie dabei fühlte, erinnerte sie daran, dass ihre unerwartete Verbindung zu dem kleinen Matthew Prescott viel mit ihrer eigenen Kindheit zu tun hatte und dem Kummer, den sie so oft empfunden hatte, wenn sie allein zurückgelassen worden war. Es war wichtig, das nicht an Ian anzulasten. Wer aber konnte ihm besser helfen, die Bedürfnisse seines Kindes zu verstehen, als sie?
Sie lehnte sich an einen Sessel. „Er ist ein schönes Kind.“
„Ich weiß. Danke“, murmelte Ian.
„Er ist reizend, klug und sehr gut erzogen. Und ...“ Sie verstummte.
Er blieb stehen und warf ihr über die Schulter hinweg einen Blick zu. „Und was?“
„Er sehnt sich nach deiner Aufmerksamkeit“, sagte sie sanft.
Er starrte sie an.
„Warum hast du ihn mir gegenüber nie erwähnt?“
Wieder wandte er sich ab und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich weiß es nicht.“
„Du weißt es nicht? Das ist keine Antwort! Der arme Kleine, er könnte genauso gut ein Schild um den Hals tragen, auf dem steht: Bitte, hab mich lieb! Du musst doch merken, dass er deine Zuwendung sucht. Interessiert er dich nicht? Du schämst dich doch seiner nicht aus irgendeinem Grund?“
„Natürlich nicht!“ Ian blickte sie schmerzerfüllt an, dann schwieg er eine Weile.
„Sprich mit mir“, drängte Georgie ihn. „Gib mir eine Chance. Hilf mir zu verstehen.“
Aufgewühlt wischte er sich mit der Hand über das Gesicht, dann betrachtete er kopfschüttelnd den Boden. „Wenn ich nicht zu Hause bin, versuche ich, nicht an Matthew zu denken. Ich muss ihn aus meinen Gedanken verbannen. Sonst könnte ich meine Arbeit nicht erledigen. Weißt du, für meine Arbeit braucht man einen kühlen Verstand und ein ruhiges Gemüt. Hingabe. Objektivität. Und was diesen Jungen betrifft, Georgiana, kann ich nicht objektiv sein.“ Er schluckte und sah sie an. „Er ist mein Kind. Er ist immer in meinen Gedanken“, gestand er dann. „Wenn ich einen Auftrag habe, rede ich niemals über ihn, weil ich weiß, er
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