Eine tollkuehne Lady
nur angelehnt war.
Das einzige Licht drang durch diese Öffnung herein, die in der Nähe des langen Ganges liegen musste, wo die Eunuchen Wache hielten. Als sich Georgies Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, blickte sie sich um.
Den Mittelpunkt des Raumes bildete ein gepolsterter Thron auf einer niedrigen Plattform. Die Wände waren reich verziert mit Gemälden und Mosaiken, mit den üblichen Statuen zu religiösen Themen. Manche waren lebensgroß, andere standen auf Piedestalen.
In einer Ecke fiel ihr ein zierlicher Schreibtisch europäischen Stils auf, an dem die Sekretärin oder vielleicht auch die Königin selbst Aufzeichnungen über die Audienzen anfertigte.
Georgie eilte quer durch den Raum dorthin, öffnete mit äußerster Vorsicht den Deckel und begann, die Papiere durchzublättern, in dem sicheren Wissen, dass dies sie den Kopf kosten konnte. Sie hielt Stapel von Papieren gegen das Licht und verstand gerade genug der Marathi-Mundart, um ungefähr zu erkennen, worum es bei jedem Dokument ging: Petitionen, Urteile, Zuwendungen, Urkunden und verschiedene Terminkalender.
Hier gab es nichts Verdächtiges, nur die sorgfältig geführten Papiere einer königlichen Person, die die wenigen Pflichten, die ihr anvertraut waren, akribisch erledigte.
Einen Moment lang bedauerte Georgie Sujana, denn obgleich ihre Begegnung nur kurz gewesen war, waren Georgie der Stolz und die Klugheit der Frau aufgefallen, und doch war sie hier eingesperrt, genau wie der Tiger in seinem kunstvollen Käfig draußen. Das kann eine Frau mit Begabung und Einfällen in den Wahnsinn treiben, dachte sie bei sich und sah sich um, während sie überlegte, wo sie sonst noch suchen könnte.
Sie trat zu dem leeren weißen Thron und tastete ihn ab, um festzustellen, ob darin irgendetwas versteckt wurde, eingenäht in die Kissen vielleicht.
Nichts.
Behutsam ordnete sie die Kissen wieder genau so an, wie sie sie vorgefunden hatte.
Sie musste sich beeilen.
Als Nächstes versuchte sie ihr Glück an den Gemälden, den Teppichen und den Wandbehängen, suchte auch diese nach Geheimverstecken ab.
Wieder nichts.
Jetzt blieben nur noch die Statuen. Einige waren möglicherweise hohl, daher überprüfte Georgie sie alle. Shiva, Ganesha, Indra, Parvati - keine von ihnen barg ein Geheimnis. Aber dann kam sie an die Statue der Kali - so groß wie Georgie selbst und schwarz gestrichen wie der Tod - und am liebsten hätte sie das Abbild der Göttin gar nicht berührt.
Es ist nur eine Statue, dachte sie und verachtete sich selbst für ihr Unbehagen.
Vor Widerwillen verzog sie ein wenig das Gesicht, während sie all die Verzierungen der Totengöttin abtastete, als sie plötzlich eine kaum spürbare Linie an dem abgetrennten Kopf in Kalis unerbittlichem Griff spürte. Sie umfasste den Schädel fester und bewegte ihn behutsam. Leise schrie sie auf, als das Gesicht sich vorschob und dann aufschwang wie eine kleine Tür.
Innen lag ein zusammengefaltetes Stück Papier.
Schuldbewusst spähte Georgie über ihre Schulter, bevor sie das Blatt nahm und mit wild pochendem Herzen auseinanderfaltete. Sie hielt die Botschaft hoch zu dem schwachen Licht, das vom anderen Ende des Raumes hereinfiel, und dann vermochte sie die hastig niedergekritzelten Zeilen zu lesen.
Die Königin hatte sie geschrieben. In ihrer Überheblichkeit hatte sich Sujana nicht einmal die Mühe gemacht, einen Code zu benutzen, und als Georgie nun die Worte übersetzte, ließ das Böse, das darin enthalten war, ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Dies war noch schlimmer, als sie vermutet hatte.
Königin Sujana stand nicht nur auf der Seite von Baji Rao, sie plante überdies, ihren Gemahl zu töten und Prinz Shahu auf den Thron zu bringen!
„Geduld, kleiner Bruder“, hieß es in dem Brief. „Ich werde dich benachrichtigen, wenn die englische Abordnung Janpur verlassen hat. Dann werden wir handeln. “
Georgie war so sehr damit beschäftigt, den Brief zu entziffern, dass sie nicht bemerkte, wie jemand den Raum betrat, bis sie das leise Klirren von Schmuck hörte. Dann war es zu spät.
„Was tun Sie da? “, ließ sich eine tiefe Stimme vernehmen.
Als sie aufsah, erbleichte sie.
Prinz Shahu!
Sie war ertappt.
Auf frischer Tat.
Sofort verbarg sie das Blatt hinter ihrem Rücken. Während sie zurückwich, kam er ihr mit seinen gebogenen Schuhen immer näher.
„Was haben Sie in den Privatgemächern meiner Mutter zu suchen? “
Sein Gesicht lag im Schatten, sodass seine Züge
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