Eine tollkuehne Lady
sie ihn am meisten brauchte.
Wenn nicht er, dann war es bestimmt einer ihrer hochadligen Cousins. Es war ihr zwar schleierhaft, wie einer ihrer bisher ihr fremden Verwandten von ihrer Ankunft hätte erfahren können, aber sie wollte keinen schlechten ersten Eindruck machen, indem sie ihn warten ließ. Eilig machte sie Anstalten, von Bord zu gehen. Endlich Hoffnung!
„Wenn etwas nicht in Ordnung ist, kommen Sie wieder hierher, hören Sie? “, sagte der Kapitän leise zu ihr. „Diese Docks sind keine Gegend für eine hübsche junge Dame, schon gar nicht in der Nacht. “
„Ich verstehe. Vielen, vielen Dank, Kapitän. Sie waren sehr nett zu mir, und glauben sie mir, ich werde dafür sorgen, dass Lord Jack erfährt, wie gut Sie und Ihre Männer sich um mich gekümmert... “
„Ja, nun verschwinden Sie schon. “ Er verzog das faltige Gesicht zu einem Lächeln. „Los, Mädchen. Viel Glück! “ Der alte Kapitän rief seinen Männern zu, ein Boot zu Wasser zu lassen, und sie an Land zu bringen, dann wandte er sich wieder dem Hafenmeister zu, um seine Angelegenheiten mit dem Mann zu regeln.
Es dauerte nicht lange, dann ruderten ein paar der Matrosen sie zu den Docks. Mühsam kämpften sie gegen die starke Strömung an, während Georgie den Rand des Bootes umklammerte. Sie konnte es kaum erwarten herauszufinden, ob ein freundlicher Fremder sie empfangen würde oder jemand, den sie liebte. Die Matrosen stießen die Ruder in den öligen Strom und sie näherten sich dem Anleger.
Als das schaukelnde Boot endlich mit zwei Tauen um die bemoosten Pfosten vertäut war, half einer der Matrosen ihr, die hölzerne Leiter zum Pier hinaufzusteigen. In ein paar Yards Abstand voneinander waren Laternen angebracht, die ein dämmeriges Licht auf die feuchten Planken warfen. Vorsichtig setzte Georgie einen Fuß vor den anderen, um nicht auszurutschen und in den Fluss zu fallen. Sie hatte Wochen gebraucht, um seefest zu werden, doch jetzt zitterten ihr die Knie, als sie festen Boden unter den Füßen spürte.
In diesem Augenblick trat eine große, in einen Umhang gehüllte Gestalt aus dem wabernden Nebel am Ende der Docks.
Um ein Haar wäre sie gestolpert.
Zuerst konnte sie nur eine große schwarze Silhouette erkennen, dann etwas Rot, als der Mann das schwarze Operncape über der Schulter zurückwarf und das seidene Futter sichtbar wurde. Als er mit eleganten Schritten auf sie zuging, die graugrünen Augen fest auf sie gerichtet, glitt der Schein einer Laterne über die markanten Züge eines vertrauten Gesichts.
Mit offenem Mund starrte sie ihn an.
Ian!
Aber wie - sie hatte Indien doch vor ihm verlassen? Sie blinzelte. Hatte sie eine Erscheinung?
„Georgiana! “, rief er, und seine laute Stimme mit dem energischen Tonfall klang sehr real. Sein Gang wirkte entschlossen.
Ihr Herz schlug schneller. Ein Erkennensschrei entrang sich ihrer Kehle, und sie lief ihm entgegen, alle Ängste vergessend. Kurz bemerkte sie seine ernste Miene, aber das hielt sie nicht auf. Er hatte die Lippen zusammengepresst, und seine Augen wirkten hart wie grüner Marmor.
Er blieb stehen, als sie über die Planken auf ihn zulief, und im nächsten Moment warf sie sich in seine ausgebreiteten Arme.
Er fing sie auf und hielt sie ganz fest, als hätte er vergessen, wie viel Kraft er besaß. Er drückte ihren Kopf an seine Brust und vergrub seine Finger in ihrem Haar. „Ich habe dich“, murmelte er. „Jetzt bist du in Sicherheit, Liebes. Ich bin da. “
Sie klammerte sich an ihn, vermochte nicht zu sprechen, vertraute nicht einmal ihren Sinnen, überwältigt von dem Schrecken und der Freude. Tränen rannen ihr über die Wangen, und sie schloss die Augen und schlang die Arme um seine Taille.
An ihrer Wange fühlte sie sein Herz schlagen. Ian neigte den Kopf und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, tröstete sie, wiegte sie in seinen Armen. Georgies Gedanken überschlugen sich. Sie wusste nicht, warum er hier in London war, sie umarmte, aber während sie sich an ihn schmiegte, wagte sie nicht, ihn danach zu fragen.
Er war am Leben. Er war in Sicherheit. Und das war alles, was zählte. Sie streichelte über seinen muskulösen Rücken und zog ihn noch fester an sich. Sofort war das Band zwischen ihnen wieder hergestellt, war jetzt sogar noch stärker nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten und nach der langen und schmerzlichen Trennung.
Zitternd und offenbar überwältigt von seinen Gefühlen küsste er noch einmal ihre Stirn, dann hüllte er
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