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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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seinen Vater an, der in den letzten beiden Jahren rapide gealtert war. Dann richtete er seinen Blick wieder auf die alte Frau in dem eisernen Stuhl. Seine Mutter war fünf Jahre älter als sein Vater. Er sah die leicht gelblich verfärbte Haut, die schweren Lider, die verästelten Falten rund um ihre Augen und das strohige, brüchige Haar. Er atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen.
    »Ich muss gehen«, sagte er und stand mit einer abrupten Bewegung auf. Davon erwachte Marta und sah sich desorientiert um.
    »Schon?«
    »Ja, ich habe im Labor noch einiges zu tun.«
    »Du arbeitest viel, mein Sohn, aber das ist gut, das ist gut, lass nicht zu, dass diese ekelhaften Maschinen alles machen.«
    Manuel stand auf und begleitete seinen Sohn zum Auto.
    »Ein sehr schöner Wagen.«
    »Und schnell.«
    Alejandro öffnete die Tür, und eine Wolke von Leuchtanzeigen und mit sanfter Stimme gesprochenen Warnhinweisen füllte die Luft wie technologische Pollen, die der Wind herbeigeweht hatte.
    »Hallo!«
    Die beiden drehten sich um. Im Eingang des Nachbarhauses lächelte ein Mädchen, das aussah, als sei es nicht älter als siebzehn. An einer Lederleine führte sie einen sehr hässlichen Hund. Mit Sicherheit eine biomodifizierte Rasse, die aber immer in gewissen Zeitabständen Urin und Kot absondern musste. Alejandro überlegte. Er kannte dieses Lächeln, aber es gelang ihm nicht, es mit diesem Körper voller sinnlicher Kurven in Verbindung zu bringen. Die Rundungen der Brüste schienen darum zu ringen, die Bluse platzen zu lassen, und die langen Beine mündeten in einem Paar perfekt geformter Hüften. Ein künstlicher Körper erstklassiger Qualität, biotechnologisch modifiziert und perfektioniert bis ins kleinste Detail.
    »Hallo, Laura, gehst du mit dem Hund spazieren?«
    Erst jetzt erinnerte sich Alejandro: richtig, es war die Nachbarin. Ihr jugendlicher Blick fiel auf ihn wie ein Regen aus süßen, vergifteten Nadeln.
    »Ja, dieser verdammte Köter bringt mich noch zur Verzweiflung, er gehorcht überhaupt nicht.« Ihr Lächeln strahlte mit der Sonne um die Wette. »Wie geht es dir, Alejandro?«
    »Gut, ganz gut.«
    »Schön, das freut mich. Mal sehen, ob dieses Unglücksvieh vom Spazierengehen genug bekommt und aufhört, mich zu nerven.«
    Der Hund fing an zu bellen, als wolle er seine Bedürfnisse bestätigen. Laura nötigte ihn, sich in Bewegung zu setzen, und die beiden stolzierten auf dem Bürgersteig davon. Vater und Sohn standen da und sahen ihnen nach. Laura trug ein Paar sehr kurze Shorts, die speziell dazu entworfen schienen, das Schwingen ihres perfekten Hinterns zu betonen. Sie drehte sich kurz um, als wolle sie sich der Wirkung ihres Gangs vergewissern, woraufhin die beiden Männer leicht verwirrt dazu übergingen, sich zu verabschieden.
    »Das … ist unsere Nachbarin?«
    »Ja, du weißt doch, dass sie in einer der meistgesehenen Sitcoms mitspielt. Heute Abend auf Kanal 21.«
    »Ja, das wusste ich, aber … ich sehe mir diese Serien nicht an. Genau genommen schaue ich überhaupt kein Fernsehen, ich hätte nicht gedacht, dass …«
    »Nun, da siehst du es.«
    Der Wagen setzte sich fast lautlos in Bewegung und verschwand am Ende der Straße. Manuel blieb noch eine Weile stehen, um ihm nachzusehen. Er überlegte, ob es wirklich eine gute Idee war, in dieser Gegend wohnen zu bleiben. Ihnen war hier ein Haus zugewiesen worden, bevor das Viertel wegen seiner Nähe zur Sierra in Kategorie A aufgestiegen war. Bisher hatte er sich geweigert zu gehen. Er sah sich um. Große Bäume und prächtige Gärten säumten die Straße, und sämtliche Häuser waren individuelle Modelle, bezahlt mit sehr vielen Eurosekunden. Vielleicht war es das Beste, umzuziehen. Er hatte Martas Marotten nie ernst genommen. Jetzt sah er sie an, wie sie wieder eifrig im Garten werkelte. Sie brauchte eine bescheidenere Nachbarschaft, mit Leuten, die waren wie sie – keine berühmten Stars wie Laura, die sich keine Gelegenheit entgehen ließen, sich vor ihnen zu produzieren.
    Manuel blieb noch einen Augenblick stehen, um die Silhouette seiner Nachbarin, die gerade mit ihrem Hund schimpfte, aus der Ferne zu betrachten. Dann ging er ins Haus und kehrte mit einem Buch in der Hand wieder in den Garten zurück. Die Lektüre war fesselnd – wie sehr, bemerkte er erst, als er nicht mehr weiterlesen konnte, weil es dunkel geworden war. Seine Augen taten weh. Er reckte die Arme, um zu sich zu kommen. Aus dem Haus hörte er Fernsehgeräusche. Marta

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