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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Und sie war völlig umsonst. Trotzdem musste wenigstens ein Kanal bis zum Hafen frei gehalten werden. Die übel riechenden Ausdünstungen der verrottenden Algen drangen bis zu Elodie hinüber, die unwillkürlich eine Grimasse zog.
    Sie seufzte. Die Luft war schwül, feucht und wie mit einer dumpfen Drohung beladen. Der flockig weiße Himmel sah aus wie geronnene Milch, und die fahle, konturlose Sonne erinnerte an eine in Zeitlupe abgespielte Atombombenexplosion. Genauso heiß, und genauso zerstörerisch. Elodie schwitzte. Sie entschloss sich, die Strickjacke auszuziehen, behielt aber das Seidentuch auf dem Kopf. Sie hatte sich vorgenommen, so lange sitzen zu bleiben, wie sie die Sonne ertragen konnte, und Stéphanes Rückkehr zu erwarten.
    Stéphane hatte eine echte Glückssträhne. Am Vortag war er auf eine Gruppe Merlane gestoßen, die sich noch immer zwischen den Felsen tummelten. Wahrscheinlich hatten die Algen und das zwischen ihnen lebende Plankton sie angelockt. Zudem hatte er tatsächlich einen Drachenkopf an den Haken bekommen, einen Fisch, der inzwischen extrem selten geworden war. Hoffentlich konnte man ihn wenigstens essen … Für den Abend bestand Aussicht auf eine wunderbare Bouillabaisse. Vielleicht konnten sie die Mieter aus dem Erdgeschoss einladen, das wollten sie schon lange einmal tun. Die armen Ökosylanten bekamen sicher nicht alle Tage Fisch …
    Die Fischerei war Stéphanes große Leidenschaft. So oft es nur ging, fuhr er mit seinem kleinen Boot hinaus. Fünf Jahre zuvor hatte er es einem alten Fischer abgekauft und mit viel Liebe instand gesetzt. Er sah für sein Leben gern die Sonne zwischen lachsfarbenen Wolkenstreifen über den Inseln aufgehen, während ölige Wellen mit Kupferreflexen an den Rumpf seines Nachens plätscherten. In kleinen Buchten, zwischen Felsen und in versunkenen Wäldern herumzustöbern, seine Angel an Stellen auszulegen, wo sich sonst kein Boot hinwagte, sich mit der Angelrute in der einen und einem Bier in der anderen Hand von der Dünung wiegen und von der Sonne braten zu lassen, das war für Stéphane das absolute Glück.
    Obendrein, und das war ihm sehr wichtig, hatte er dann Ruhe vor Elodie und ihrer depressiven Stimmung.
    Auf der anderen Seite der Strandpromenade leckte das Meer über den halb eingestürzten Damm. Auch dort wartete Sisyphus-Arbeit. Als man den Damm gebaut hatte, war das Meer noch zehn Meter weit entfernt gewesen. An Tagen mit klarem Wasser konnte man die alten Straßenzüge erkennen, wo Elodie als Kind viel Zeit bei ihrer Tante verbracht hatte, die dort eine Fischerhütte besaß. Die Hütte hatte weder Strom noch Telefon, und das Wasser hatten sie an der Pumpe im Hafen holen müssen – so etwas galt auch damals schon als echter Anachronismus … Aber Tante Lucille liebte es, die Sommer in dieser Hütte zu verbringen. Sie behauptete, dass sie dort am besten entspannen konnte. Glücklicherweise war sie gestorben, ehe ihre Hütte im Wasser versank.
    Die Bewohner der Gegend waren entweder evakuiert worden oder hatten ihre Häuser aus eigenem Antrieb verlassen. Das Dorf lag tot und einsam da. Die blinden, leer geräumten Häuser setzten Schimmel an und bekamen Risse. Ganze Horden der in den Hügeln vor sich hin vegetierenden Ökosylanten plünderten alles, was nicht niet- und nagelfest war. Die ehemals luxuriösen Gärten mit ihren Palmen, Orangenbäumen, Magnolien, Agaven und Bougainvilleen, die zu jeder Jahreszeit das Auge erfreut und ihren Duft verströmt hatten, waren heute nur noch vernachlässigtes Brachland oder undurchdringliche, mit großen Mücken verseuchte tropische Dschungel, die langsam im Schlamm versanken …
    Elodie erhob sich und ging zur Brücke weiter. Mit dem Rücken zum Meer lehnte sie sich ans Geländer. Unter ihr brodelten schlammige Brackwassersümpfe. Manchmal tauchte ein ausgebleichter, zerklüfteter Baumstamm auf, und ab und zu erhaschte sie einen Blick auf ein Stück Mauer oder eine von Salz und saurem Wasser zerfressene Ruine. Früher hatten an dieser Stelle Gewächshäuser gestanden, in denen die berühmten Blumen von Hyères gezüchtet worden waren; Blumen, die in ganz Europa und weit darüber hinaus verkauft wurden. Die Sümpfe hatten sich jedes Jahr weiter ausgebreitet und sich immer weiter in Richtung der Autobahn vorgeschoben. Inzwischen bildete die breite Piste – keiner wusste, wie lange noch – die Grenze zur bewohnten Welt, die Demarkationslinie zwischen dem Hyères von einst und dem Hyères von

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