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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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beschäftigt – mit der kräftezehrenden Aufgabe, sich bewusst zu machen, was für eine Entscheidung sie getroffen hatten und was mit ihnen geschehen würde. Nur mit Yasmina hatte sich in letzter Zeit eine Vertrautheit entwickelt, die es ermöglichte, sich gegenseitig Dinge zu sagen wie »dein Haar glänzt heute ganz besonders« oder »du hast schöne Augen« oder »heute Morgen siehst du sehr hübsch aus«. Es stimmte nicht immer ganz, aber sie hatten gelernt zu bemerken, wann die andere ein paar freundliche Worte brauchte, und beide wussten, dass es keine Rolle spielte, ob es immer die Wahrheit war.
    Yasmina würde ihr sehr fehlen, wenn sie das Krankenhaus verlassen hätte. Ihre Familie vermisste sie bereits seit einiger Zeit nicht mehr wirklich – sie hatte an dem Tag. an dem sie fortgegangen war, angefangen, sie bewusst zu vergessen. Ihr war klar, dass sie niemals zu ihnen zurückkehren würde, und sie wussten es auch: ihre Eltern, ihre Großmutter, ihre sieben Geschwister … Im Prinzip war sie am Tag ihrer Ankunft im Sanatorium Punta Azul gestorben.
    Jetzt wurde die Tür leise geöffnet, und behandschuhte Finger winkten den Jungen herbei. Er zuckte zusammen und trat vom Fenster zurück. Sie sah Schweißperlen auf seinem Gesicht, und ohne darüber nachzudenken, stand sie von ihrem Stuhl auf und heftete ihre Augen auf seine – sie waren gelb und weit aufgerissen. Sie streckte ihm die Hand hin, um ihm ihre Kraft zu übertragen. Bevor er unter ihrem Blick den Raum verließ, drehte der Junge sich um und nahm sie ein paar Sekunden lang in die Arme, wie ein Bruder. Ihr blieb kaum genug Zeit, ihm ein Kreuz auf die Stirn zu zeichnen – vielleicht war er gar kein Christ, aber das spielte keine Rolle –, bevor die Krankenschwester ihn mitnahm, um dem Unbekannten gegenüberzutreten.
    Als drei Minuten später sie an der Reihe war, gab es niemanden, der sie hätte umarmen können – niemanden, der sie zum Abschied segnete.
    In Doktor Mendozas Büro – mediterranes Ambiente, große Fenster zum Meer hin, irische Blumen auf dem Schreibtisch – erlosch der Monitor mit einem Surren und wurde schwarz. Es folgten einige lange Sekunden Stille. Dann wandte sich Mendoza mit einem Lächeln seinen Klienten zu:
    »Nun, Señor Peyró, Señora Saladriga, was sagen Sie? Sind sie nicht perfekt?«
    »Das Mädchen ist eine echte Schönheit«, sagte der Mann nach einem Räuspern. »Äthiopierin, nicht wahr?«
    »Ich dürfte es Ihnen eigentlich nicht sagen«, lächelte Mendoza weiter, »aber ja. Äthiopierin. Das Land, aus dem einige der schönsten Frauen der Welt kommen.«
    »Und er?«, fragte die Frau. »Wenn wir schon …« Sie lächelte ihren Mann an.
    »Er stammt aus Mali.«
    »Ist er nicht sehr … schwarz?«, fragte Señor Peyró, sich sehr wohl bewusst, dass seine Frage alles andere als politisch korrekt war.
    »Seine Gesichtszüge sind europäisch, wie Sie vielleicht bemerkt haben. Wenn die Farbe seiner Haut ein Problem sein sollte, können wir das später in Ordnung bringen, nach Durchführung des Transfers.«
    »Was sagst du?«, fragte Peyró seine Frau.
    »Ich finde ihn sehr attraktiv, trotz der Farbe.«
    »Und Sie sollten auch bedenken, dass seine zerebrale Konfiguration perfekt ist. Sie haben sehr großes Glück gehabt. Die beiden sind ästhetisch makellos und darüber hinaus, wie ich bereits sagte, perfekt kompatibel. Wir könnten uns nichts Besseres wünschen.«
    »Wissen die beiden, was mit ihnen geschehen wird?«, fragte die Frau.
    »Sie wurden ordnungsgemäß informiert und haben alle notwendigen Dokumente unterzeichnet. Jetzt liegt die Entscheidung bei Ihnen.«
    »Und wenn wir es nicht tun?«
    »Dann bleiben die beiden hier, bis wir andere geeignete Klienten finden. Aber, gestatten Sie mir zu sagen, es ist nahezu unmöglich, noch einmal einen solchen Grad der Übereinstimmung zu finden wie mit Ihnen. Aber sie werden in jedem Fall früher oder später vergeben.«
    Doktor Mendoza stand auf:
    »Vielleicht ist es besser, wenn ich Sie einen Moment lang alleine lasse. Sie möchten sicher miteinander sprechen, bevor Sie Ihre endgültige Entscheidung treffen.«
    »Nein, Doktor, gehen Sie nicht. Wir haben bereits über alles gesprochen«, sagte der Mann mit einem Seitenblick auf seine Frau, die schnell die Augen abwandte.
    »Dann haben Sie vielleicht noch eine Frage«, Mendoza nahm wieder seinen Platz hinter dem Schreibtisch ein.
    »Mal sehen, ob ich alles richtig verstanden habe«, fasste Señor Peyró zusammen.

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