Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
Vom Netzwerk:
tun. Nur hin und wieder noch kehrten Panik oder Euphorie wie Blitzschläge zurück und machten sie schwach und zittrig.
    Sie warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, um den Glanz ihrer jungen Augen zu bewundern, die Festigkeit ihrer Brüste, die keinen BH mehr brauchten, und die Rundung ihrer Hüften, an denen kein Gramm überflüssiges Fett war – und wieder bestaunte sie sich. Doch diesmal vermischte sich das Staunen darüber, die fremde Gestalt anzusehen und sie nicht als ihre eigene zu erkennen, mit dem Stolz der Besitzerin – und mit einem Hauch von Sorge, ob die Sandalen nicht vielleicht doch zu hoch waren und ihre Wadenmuskeln zu sehr betonten.
    »Señora«, sagte Emilia, nachdem sie ein paar Mal diskret an die Tür geklopft hatte. »Der Señor fragt, ob Sie schon fertig sind.«
    »Ich fliege, Emilia. Sag, sehe ich gut aus?«
    »Sie sind wunderschön, Señora. Die Ribas wird sterben vor Neid, wenn sie Sie sieht.«
    Sie gingen lachend die Treppe hinunter und trennten sich im Erdgeschoss – Emilia lief Richtung Küche und Anna in den Garten.
    Tòfol sah sie kommen, als sie am Schwimmbecken vorbeiging, und einen Moment lang verschwamm alles um ihn herum ins Nichts. Anna hatte immer noch den Gang einer Königin, aber jetzt war sie eine junge Königin, die schönste Königin der Welt, die Königin von Afrika. Und sie war seine Frau.
    In der Peripherie seiner schemenhaften Wahrnehmung bemerkte er die begehrlichen Blicke der anderen Männer, als sie vorbeiging, und die neidvollen Blicke der anderen Frauen, die noch nicht wussten, dass sie die Hausherrin vor sich sahen – Anna Saladriga, vor wenigen Monaten noch eine ältere Señora, stämmig und mit Krampfadern an den Beinen.
    Sie küssten sich vor den überraschten Augen ihrer Gäste, die nur einige Sekunden später reagierten: die Damen lachten oder schrieen auf, und die Herren knurrten und klatschten. Ein dicker Mann mit rotem Gesicht und zerfurchter Nase küsste Anna die Hand, nachdem er ihr einen beinahe obszönen Blick zugeworfen hatte. Dann wandte er sich an Tòfol – er musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen:
    »Du bist ein Fremder, Mann«, sagte er mit durchdringender Stimme auf Katalanisch, bevor er anfing, über seinen eigenen Witz zu lachen. »Ihr beide seid Fremde!«
    Tòfol lachte ebenfalls, legte ihm eine Hand auf den Ellbogen und führte ihn zwischen den Grüppchen von Gästen hindurch zur Bar, wo er zwei Whisky-Soda bestellte. Joan Mercader war einer der ältesten Freunde des Ehepaars und war vor fünfzig Jahren auch Partner in Tòfol Peyrós erster Baufirma gewesen.
    »Gut, Joan, jetzt, wo du einen Eindruck gewonnen hast, was sagst du?«
    »Dass ich es nicht glauben kann, Junge. Ich sehe dich an, ich spreche mit dir, und ich weiß, dass unter all dem« – Mercader machte eine allgemeine Geste zum Körper des anderen – »mein alter Freund Tòfol steckt. Aber, weißt du, es ist schwer zu begreifen. Wie alt bist du jetzt?«
    »Genauso alt wie du. Zweiundachtzig.«
    »Nein, Mann, du verstehst mich schon.«
    »Sie verraten uns keine Einzelheiten, aber mein Arzt meint etwa siebenundzwanzig oder achtundzwanzig.«
    »Und Anna?«
    »Vielleicht drei oder vier weniger.«
    »Du Glückspilz!«
    »Nun, das kannst du auch haben«, sagte Tòfol, während er mit den Augen Annas Gestalt folgte, die von einer Gruppe Damen zur anderen schwebte wie ein Juwel, den man von Hand zu Hand weiterreichte, damit alle ihn aus der Nähe betrachten konnten. »Sag nicht, dass du es dir nicht leisten kannst. Gerade du!«
    »Was kostet der Spaß denn?«
    Mercader und Peyró hatten schon ihr ganzes Leben lang offen über Geld gesprochen, daher war das, was bei einem anderen Menschen geschmacklos gewirkt hätte, bei ihm ganz natürlich.
    »Eine Million pro Kopf.«
    Mercader rieb sich mit dem Zeigefinger die Nase.
    »Das scheint mir nicht zu viel.«
    »Das Geld ist gut investiert, das versichere ich dir.«
    »Und sie, wie viel bekommen sie. Ich meine … die … schließlich … ich weiß nicht, wie ich sie nennen soll.«
    »Die Wirte«, half Peyró ihm weiter.
    »Genau. Was verdienen sie?«
    »Sie nichts, aber ihre Familien bekommen eine halbe Million Euro. Der Rest ist für das Sanatorium. Du siehst also, es ist nicht nur ein Geschäft für uns, sondern auch eine Art, der dritten Welt zu helfen.«
    Mercader sah ihn mit halbgeschlossenen Augen über den Rand seines Whiskyglases hinweg an:
    »Ich hätte dich nicht für so naiv gehalten,

Weitere Kostenlose Bücher