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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Mal, wenn ein minimales Geräusch die Stille unterbrach, nervös zur Tür.
    Der Mann – jung, groß und muskulös – stand mit einem Seufzer auf und lief mit wenigen Schritten zu den Panoramafenstern, die auf einen großen Garten zeigten. Schweigend verfolgte sie ihn mit den Augen, dann wanderte ihr Blick nach draußen, auf den grünen, feuchten, mit Blumen übersäten Rasen und bis zu den Palmen, die sich sanft in der Meeresbrise wiegten. Sie wäre so gerne dort – mit nackten Füßen über das Gras laufen, bis hinunter zum Strand … die Wellen würden gegen ihre Beine peitschen, und sie würde Gänsehaut bekommen.
    Sie fragte sich, ob sie jemals wieder die Sonne auf ihrer Haut und das Wasser in ihrem Haar fühlen würde, nachdem sie mit ihr getan hatten, was sie vorhatten. Sie wollte Doktor Mendoza fragen und kannte seine Antwort schon im Voraus: ja, natürlich. Selbstverständlich gab es Grenzen, das wusste sie, aber sie würde nicht so viel verlieren, wie sie sich vorstellte. So tragisch konnte es nicht sein, schließlich gab es Gesetze, die regelten, wie viel man ihr nehmen durfte, und in Europa wurden Gesetze sehr ernst genommen.
    In Europa wurde alles sehr ernst genommen, vor allem der Euro – der König und der Gott der alten Welt. Und der neuen. Und aller vorstellbaren Welten.
    Er war es auch, der sie hierher geführt hatte. Sie beide hierher geführt hatte, ergänzte sie und warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf den Mann, der mit ihr hier wartete. Er sah sehr gut aus mit seiner dunklen Haut und den beinahe europäischen Gesichtszügen – der schmalen, geraden Nase und den hohen Backenknochen. Er lief aufrecht wie eine Lanze und war so groß, dass sie den Kopf zurücklegen musste, um sein Haar zu sehen, das ihm in Hunderten von kleinen Zöpfen auf die Schultern fiel. Sie fragte sich, aus welchem Land er wohl stammte, wusste aber gleichzeitig, dass es im Grunde keine Rolle spielte. Mit Sicherheit kam er wie sie aus einem der vielen afrikanischen Länder, denen der Untergang drohte. Seine Familie würde, genau wie ihre, die absolute Grenze der Not überschritten haben, und er würde wie sie zu dem Schluss gekommen sein, dass er ihnen nur eine Chance zum Weiterleben geben konnte, indem er das Wenige verkaufte, das er besaß – das Einzige, das auf dem europäischen Markt noch von Wert war: einen Körper, der so jung, so attraktiv und so gesund war, dass einer der vielen europäischen Millionäre ihn kaufen wollte. Vorausgesetzt, ihre Hirnstrukturen passten durch eine günstige Fügung des Schicksals zu den eigenen. Das war so unwahrscheinlich, dass es einem Wunder gleichkam, doch hin und wieder geschah es, so wie es bei ihr geschehen war, und wie es auch bei ihm geschehen sein musste, wenn er jetzt hier war, in dem blauen Morgenmantel und mit einem Blick, der sich am Horizont im Meer verlor.
    Als man sie für das Programm zugelassen hatte, waren sie mehr als siebenhundert Mädchen gewesen, alles Afrikanerinnen und Asiatinnen. Nach einem Monat hatte sich ihre Zahl bereits auf fünfzig reduziert. Jetzt, nach vier Monaten Tests und Analysen, waren nur noch sie und Yasmina geblieben. Yasmina war Marokkanerin und teilte mit ihr ein Zimmer, seit man entschieden hatte, Yoyo und Adita auf die Warteliste zu setzen. Gestern hatte Doktor Mendoza sie dann gebeten, heute Morgen nüchtern hierher zu kommen – möglicherweise würde heute die endgültige Operation durchgeführt werden. Wenn sie erfolgreich verlief, würde ihre Familie, die bereits tausend Euro erhalten hatte, als man sie für das Projekt zugelassen hatte, die schwindelerregende Summe von zehntausend Euro erhalten und müsste sich niemals wieder Sorgen darum machen, wie sie in Äthiopien überleben sollte.
    Sie wischte sich mit der Hand über die feuchte Stirn und seufzte. Wie gerne hätte sie sich noch einmal im Spiegel angesehen, um sich später daran zu erinnern, wie ihr Gesicht am letzten Tag ausgesehen hatte. Aber es gab in der ganzen Klinik weder Spiegel noch reflektierende Oberflächen, sie hatte sich selbst schon seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. In der Außenwelt hatte sie ihr Aussehen zumindest anhand der Reaktionen anderer einschätzen können, doch auch das war hier nicht möglich. Die Ärzte behandelten sie freundlich, aber eher wie ein hoch entwickeltes technisches Gerät als wie ein menschliches Wesen. Und auch die anderen Projekt-Teilnehmer reagierten kaum, sie alle waren zu sehr mit ihren eigenen Ängsten

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