Eine Trillion Euro
Tòfol. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Schwarzen in ihren Heimatländern eine halbe Million Euro bekommen?«
»Die ganze Sache ist vollkommen legal«, sagte Tòfol verärgert.
»Ich hacke mir den Arm ab, wenn mehr als zwanzigtausend bei ihnen ankommen. Und ich glaube, damit liege ich schon hoch. Willst du, dass ich das recherchiere?«
»Tu, was du für richtig hältst, aber wenn du einen Rat willst: stell dich vorher in der Schlange an. Mal sehen, ob du noch rechtzeitig kommst, um dich in einen neuen Körper transferieren zu lassen. Wenn man bedenkt, wie du deinen dein ganzes Leben lang behandelt hast, solltest du keine Minute mehr verlieren.«
Mercader lachte wieder laut auf, leerte sein Glas, schlug Peyró freundschaftlich auf den Rücken und machte einen Schritt auf die Büfetttische zu, die vor Delikatessen überquollen. Er entschied sich für ein iranisches Kaviar-Kanapee und fragte mit vollem Mund:
»Und was sagen die Kinder?«
Peyró lächelte.
»Die sind empört. Aber klar, sie sind noch jung.«
»Sie dürften auf die sechzig zugehen, oder nicht?«
»Mehr oder weniger. Wir haben schon Urenkel.«
»Stell dir vor, du bringst ihnen jetzt noch ein Brüderchen. Sie wären sicher nicht sonderlich begeistert!«
»Das wäre unser gutes Recht«, sagte Peyró ernst. Tatsächlich war ihm dieser Gedanke jedoch noch gar nicht gekommen. Unglaublich, wie schnell Mercader dachte.
»Ihr könntet, oder nicht? Schließlich seid ihr jetzt wieder jung.«
»Klar könnten wir«, antwortete Peyró mit fester Stimme, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, ob das wirklich möglich war, oder ob man die Körper, die sie gekauft hatten, vor dem Transfer sterilisiert hatte. Er machte sich eine mentale Notiz, Doktor Mendoza so bald wie möglich danach zu fragen.
»Hör mal, mich würde interessieren …«, Mercader steckte sich ein weiteres Kanapee in den Mund. »Was ist denn aus euren … na ja … du verstehst schon …?« Er ließ die Frage unbeendet und sah seinem alten, jetzt jungen Freund fest in die Augen.
Peyró hielt seinem Blick stand und wartete darauf, dass er seinen Satz beendete.
»Mit den Körpern von vorher, verdammt. Muss man dir denn alles aus der Nase ziehen, Junge?«
»Ah! Ja.« Er hielt kurz inne. »Sie wurden in Anwesenheit eines Notars verbrannt, nachdem der Transfer rechtlich besiegelt war. Wir mussten tagelang Fotos von unserem neuen Äußeren machen, die Unterschriften authentifizieren … alles, was du dir vorstellen kannst.«
»Weißt du was, Tòfol? Ich bekomme Lust, mich über diese Sache zu informieren. Ich rufe dich am Montag an, dann kannst du mir Name und Adresse des Sanatoriums geben. Vielleicht habe ich beim nächsten Mal, wenn wir uns sehen, schon das Gesicht eines Chinesen«, sagte er und lachte wieder sein lautes Lachen. »Denn ich vermute mal, dass die … wie hast du sie genannt? … die Wirte alle aus der Dritten Welt stammen, ist ja klar.«
Peyró steckte sich ein Kanapee in den Mund, um nicht antworten zu müssen. Der Tonfall, in dem Mercader mit ihm sprach, war ihm zutiefst unangenehm.
»Ich fürchte«, fuhr der alte Mann fort, ohne eine Antwort abzuwarten, »dass unsere Kinder enttäuscht sein werden. Schließlich gehen sie davon ans, dass sie bald erben, aber wenn wir die Körper wechseln, können wir ohne Übertreibung noch fünfzig Jahre weiterleben, nicht wahr?«
Peyró nickte, er war jetzt offen verärgert. Die gleiche Unterhaltung hatte er schon mehrmals mit seinen eigenen Kindern, Montse und Quim, geführt, und sie hatte jedes Mal einen üblen Nachgeschmack hinterlassen. Denn trotz aller Liebe und obwohl sie immer ein gutes Verhältnis gehabt hatten, war bei den Gesprächen deutlich geworden, dass ihnen die Vorstellung, ihre Eltern könnten noch fünfzig Jahre leben, ganz und gar nicht gefiel. Dass Mercader ihn jetzt daran erinnerte, empfand er als ausgesprochen geschmacklos.
»Du musst mich entschuldigen, Joan. Ich muss mich um die Belgier kümmern, sie wirken ein bisschen verloren.«
»Ja, Mann, natürlich, mach dir um mich keine Gedanken. Du weißt doch, wenn ich zu essen und zu trinken habe, brauche ich nichts anderes«, sagte er und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken. Er blickte Tòfols hoch gewachsener Silhouette nach, als er den Garten in Richtung der untergehenden Sonne durchquerte und zum Pool ging, wo tatsächlich ein kleines Grüppchen Gäste orientierungslos herumstand. Er zuckte mit den Achseln, steckte sich
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