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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Rasenflächen noch die mit Efeu bewachsenen Laubengänge machten Anstalten, sich für einen hypothetischen Spaziergänger neu zu ordnen. Die Morgenröte hatte das Gedächtnis der Statuen und der Springbrunnen ausgelöscht. Jeder Grashalm sah aus wie am Tag zuvor oder begann soeben, schüchtern zu wachsen … An jenem Tag schienen die Gärten den Launen des Zufalls ausgeliefert.
    So kreuzten sich ihre Wege. Das Knirschen seiner Schritte auf dem Kies erschreckte sie. Sie hob den Kopf. Er blieb stehen, überrascht, sie dort zu sehen. Sie sahen einander an. Er erkannte sie; sie ihn nicht.
    Als er sich neben sie setzte, zuckte sie resigniert die Schultern. Sie legte das geöffnete Buch auf ihre Knie, ehe sie ihm ins Gesicht sah. Seine ersten Worte brachten sie aus der Fassung.
    »Ich wünsche dir einen guten Tag!«
    Erneut sah sie ihm aufmerksam ins Gesicht. Er hatte ganz normale braune Augen, regelmäßige, aber nicht auffällige Züge und ein Lächeln, das unsicher zu werden begann. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Vorsichtig tauchte sie in die Schattenzonen ihres Gedächtnisses ein und suchte nach Hinweisen. Vielleicht handelte es sich um eine ihrer flüchtigen Liebschaften, um jemanden, an den sie sich für ein paar Stunden festgeklammert hatte, damals, in der schwarzen Zeit vor drei Jahren. Doch ihr Instinkt sagte Nein. Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich kenne Sie nicht.«
    »Erinnerst du dich nicht an mich?« Seine Stimme klang ungläubig, und sein Lächeln sank in sich zusammen. »Du erinnerst dich wirklich nicht …«
    Der Vorname, den er nach kurzem Schweigen aussprach, war wirklich der ihre.
    Das Buch glitt von ihren Knien und fiel ihr vor die Füße. Er bückte sich und reichte es ihr; er wagte nicht, es auf ihre Knie zu legen. Sie beobachteten sich aus dem Augenwinkel. Sie nahm das Buch und klappte es mit einer entschlossenen Geste zu.
    »Danke.«
    Ein dichter Vorhang aus Zweigen, das Produkt ihrer gemeinsamen Wünsche, schirmte die Bank ab. Die Allee verschwand allmählich unter einem Teppich aus welken Blättern. Langsam erwachte der Garten und bereitete sich darauf vor, viele Spaziergänger auf der Suche nach Einsamkeit zu empfangen. Mit subtilen Veränderungen musste er die Besucher so voneinander trennen, dass jeder den Eindruck hatte, der gesamte Garten gehöre ihm allein. Sie aber wussten nichts von der unterirdischen Aktivität, die um sie herum stattfand, und saßen lange stumm nebeneinander. Schließlich war er es, der das Schweigen brach.
    »Ich verstehe, dass du nicht mehr mit mir sprechen willst, und deshalb gehe ich jetzt. Aber sage nicht, du habest mich vergessen. Dazu hast du kein Recht.«
    Er machte Anstalten, aufzustehen. Sie hielt ihn am Ärmel fest.
    »Warten Sie. Warte.«
    Sie biss sich auf die Lippen, dann murmelte sie:
    »Sollte ich dich gekannt haben, erinnere ich mich nicht daran. Mein Gedächtnis ist nicht mehr vollständig. Ich habe vor drei Jahren Teile davon verkauft.«
    Sie strich sich die dunklen Haare aus der Stirn. Unmittelbar unterhalb der Haarwurzeln zeichnete sich eine gewundene Narbe ab: das Zeichen der Gedächtnishändler. Er hatte schon früher diese Art Wunde gesehen, die sich wie eine Signatur über aufgebrochene Schädeldecken zog. Er verstand.
    Als er aufstand, um zu gehen, versuchte sie nicht mehr, ihn zurückzuhalten. Seine Schritte zermalmten welke Blätter. Wie ein Schlafwandler entfernte er sich über die Allee, die mit toten Ästen übersät war.
    Sie hätten sich nie wiedersehen dürfen. Aber aus einer unverständlichen Laune heraus hatten sich die Gärten in ihren pflanzlichen Gehirnwindungen die Umstände ihres Zusammentreffens bewahrt, um sie nach eigenem Gutdünken neu zu gestalten … Drei Tage später setzte er sich wieder neben sie, ohne ein Wort zu sagen. Die Umgebung hatte sich nicht verändert, und wieder erkannte sie ihn nicht.
    Sie las immer noch das gleiche Buch. Das Lesezeichen war höchstens einige Seiten weiter gerückt. Ihr Blick glitt immer wieder zurück zu den vorhergehenden Abschnitten, die in ihrem Geist bereits zu verblassen begannen. Wer einen zu großen Teil seines Gedächtnisses verkaufte, hatte Schwierigkeiten, neue Erinnerungen zu erwerben. Fakten und Gefühle stießen auf Synapsenoberflächen, die zu glatt geschliffen waren, als dass sie sich dort lange hätten halten können.
    Mit wenigen Variationen spielten sie die Szene ihres letzten Zusammentreffens erneut durch. Er kannte die meisten ihrer Antworten, die sie

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