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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Sibirien und mehrere tödliche Unfälle setzten dem Cosmopolis -Projekt kaum ein Jahr später bereits wieder ein Ende.
    Gingen mit den Krisen, Fehlschlägen und Desastern auch viele amerikanische und europäische Träume unter, so machte ausgerechnet Japan in fast schon üblicher Manier die Weltraumfahrt zur Unterhaltungssache. Die japanische Raketengesellschaft JRS brachte einige große Unternehmen zusammen, um ein wiederverwendbares Weltraumgefährt namens Kankoh-Maru zu entwickeln. 2005 stellte das Konsortium, zu dem auch Mitsubishi, Fujitsu, Sharp und Nissan zählten, einen Prototyp vor. Der futuristische Transporter besaß mehr Ähnlichkeit mit Jules Vernes historischer Mondrakete als mit einem modernen Großraumshuttle; ein 22 Meter hoher und 18 Meter breiter Space-Booster in Form eines riesigen Projektils, der weder Tragflächen noch ein Leitwerk besaß.
    Im Jahr 2007 folgte der erste erfolgreiche Demonstrationsflug. Bis zum Jahr 2015 wurden daraufhin fast dreihundert Testflüge durchgeführt und vierzehn Weltraumtransporter hergestellt. Sie boten jeweils Platz für fünfzig Passagiere, die aus einer runden Kabine an der Spitze des Boosters den besten Blick auf die Erde hatten. Für die Touristen war es, als würden sie ein Flugzeug besteigen. Sie brauchten kein Astronautentraining zu überstehen, konnten Freizeitkleidung tragen, und ein Flug kostete auch nicht wie zu Titos Zeit 20 Millionen, sondern gerade einmal 26.000 Dollar. Die Sorge der Investoren, es würden womöglich nicht genug Touristen das nötige Kleingeld und vor allem das nötige Vertrauen in die japanische Raumfahrt besitzen, erwies sich als unbegründet. Obwohl ein Flug mit dem Kankoh-Maru lediglich drei Stunden dauerte, hätten die Japaner doppelt so viele Booster besitzen müssen, um das Interesse zu befriedigen. Was allerdings auffiel, war, dass vor allem ältere Menschen sich noch einmal eine außergewöhnliche Reise gönnen wollten; ein weiteres Vorzeichen, das von entscheidender Bedeutung sein sollte.
    Ich wandte mich blinzelnd vom Deckenfenster ab, um mir einen Snack aus dem Kühlfach zu ziehen. Einmal aus der Vakuumverpackung geschoben, glich er zäher, gepuderter Karamellmasse, schmeckte jedoch nach Hüftsteak mit Kartoffeln und jungem Gemüse.
    Das gesamte Cockpit bestand aus Rollzone. Man schwebte frei umher und ließ sich treiben, sofern dies in der engen Kanzel möglich war. Lediglich während des Starts, bei dem der Slider auf der Spitze einer Rakete saß, war jeder Pilot noch auf einen Sitz geschnallt, der den enormen Beschleunigungsschub abfederte. Sobald die Schwerelosigkeit eintrat, ließ sich der Sitz strecken und in den Rumpf absenken. Nachdem man es schließlich geschafft hatte, die im Training viel geübte halbe Rolle vorwärts zu vollführen, um den Kopf an den Fenstern und Kontrollen zu haben, verbrachte man die restliche Zeit schwebend, wie in einer halbwegs geräumigen Schlafzelle.
    Das Cockpit besaß zwei trapezförmige Frontfenster und ein fünfundzwanzig Zoll großes Deckenfenster, vor dem ich die meiste Zeit verbrachte. Mittlerweile hatte der Slider den Erdschatten wieder verlassen. Noch zehn Minuten, dann würde der Rumpf des Orbiters zur Sonne gerichtet sein, und ich konnte die Lichtblende, die das Cockpit vor Überhitzung schützte, wieder vom Fenster nehmen.
    Inzwischen musste ich mich über dem südchinesischen Meer befinden. Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Orbiter nach dem Durchfliegen der Nachtseite wieder zu drehen, um einen letzten Blick auf die Erde zu werfen, doch zwei kleine, intensive Lichtpunkte, auf die ich trotz der getönten Sonnenschutzblende aufmerksam geworden war, hatten mein Interesse geweckt. Vermutlich waren es Kommunikations- oder Nachrichtensatelliten.
    Nachdem ich sie eine Weile beobachtet hatte, wandte ich mich den Cockpit-Displays zu, überprüfte die Kontrollfunktionen und sandte der Bodenkontrolle ein Datenprotokoll mit der Bemerkung, dass alles in Ordnung sei. Ob es irgendjemanden interessierte, wusste ich nicht. Mein Konto war um den Preis meiner Weltraumreise erleichtert, der Slider machte seinen programmierten Job ohnehin allein, und was mich betraf …
    Ich schielte auf den Timer. Noch knapp drei Stunden bis zum deorbit burn. Dann würden die Triebwerke für zwei Minuten noch einmal vollen Schub liefern und den Orbiter kräftig durchschütteln. Was den ›letzten Blick‹ betraf: Ich war weder auf dem Sprung zum Mond, noch zum Mars oder sonst wohin dort draußen. So weit

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