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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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hatte es der Weltraumtourismus auch im Jahr 2029 noch nicht gebracht. Allerdings gibt es inzwischen tatsächlich Pläne, was unseren Trabanten betrifft. Man berät über Reisen nach dem Vorbild von Lunik 2 – einer Sonde, die vor genau siebzig Jahren ziemlich unsanft auf dem Mond aufschlug.
    Während der vergangenen siebzig Stunden hatte ich Weltnachrichten, zwei Fußballspiele, ein Benefiz-Konzert und eine Audio-Übertragung der Feierlichkeiten zum zwölften Jahrestags der neuen russischen Republik angehört. Mittlerweile bedauerte ich es, dass der Slider nur Programme russischer Nachrichtensatelliten empfing. Manche Dinge änderten sich eben nie.
    Ich blickte wieder durchs Deckenfenster und betrachtete den Mond. Es ist erstaunlich, wie wenig Sterne zu erkennen sind, sobald man sich außerhalb der Atmosphäre aufhält. Fast schien es, als seien sie nur ein Trugbild, um den irdischen Nachthimmel zu dekorieren. Vielleicht hatte das hohe Alter meine Augen auch stärker getrübt, als ich mir eingestehen wollte. Ich war 82. Jenseits des Fensters erkannte ich nur den Mond und die beiden Lichtpunkte, die mir schon zuvor aufgefallen waren.
    Das hieß: Moment mal …
    Ich bemühte mich, das Leuchten der Displays mit den Händen abzuschirmen, während ich angestrengt nach draußen starrte. Dann zuckte ich zurück, suchte den Kopfhörer, klemmte ihn mir hinters Ohr und stellte eine Satellitenverbindung zum Kontrollzentrum in Koroljow her.
    Nach Minuten des Schweigens reagierte man dort unten endlich auf mein Signal, und eine gleichgültige männliche Stimme mit russischem Akzent sagte: »Hier Bodenkontrolle. Sprechen Sie, X-Orbiter!«
    Ich zog eine Grimasse. Das X stand in der Raumfahrt für so mancherlei Perfides: für Exitus, für Geistesumnachtung, vor allem aber für die Vollidioten, die mit fast 30.000 Stundenkilometern durch die Thermosphäre rasten.
    »Ich habe hier zwei Sammler«, erklärte ich. »Sie sind ziemlich dicht an mir dran …«
    »Was heißt ›ziemlich‹?«
    »Fünfzehnhundert Meter schätzungsweise. Sieht aus, als kämen sie langsam näher …«
    Minutenlang herrschte wieder Funkstille. Ich legte den Kopf in den Nacken, kniff die Augen zusammen und fluchte darüber, dass ich den Neigungswinkel des Sliders nicht verändern konnte. Abwechselnd blickte ich auf meine Instrumente und hinauf zu den im Sonnenlicht leuchtenden Objekten.
    »Hier Bodenkontrolle«, meldete sich der lustlose Angestellte zurück. »Wir haben hier nichts auf dem Radar, das Ihrer Beschreibung entspricht. Laut unseren Anzeigen sind Sie relativ allein dort oben. Der Ihnen nächste Satellit ist ein EVOsat und mehr als dreitausend Kilometer entfernt.«
    »Ich sehe sie, so dicht sind sie über mir!«, rief ich ins Mikro. »Und ich weiß, wie Sammler aussehen!«
    »Vielleicht sind es Lichtreflexionen auf dem Cockpit-Glas. Schmutzpartikel, Eiskristalle oder Wassertröpfchen am Inneren der Scheibe.«
    »Da ist noch ein drittes Objekt«, erklärte ich beherrscht. »Es ist weiter entfernt und fliegt über den Sammlern … aber es sieht nicht so aus wie sie …« Aus dem Lautsprecher kam ein enerviertes Schnaufen. »Ich kann es nicht so deutlich erkennen, aber es scheint größer zu sein als die Sammler … viel größer …«
    »Das wird die Nippon sein.« Erneut Stille, als der Typ im Kontrollzentrum seine Aussage zu überprüfen schien. »Nein, es ist definitiv nicht die Nippon.« Ich hörte, wie er gedämpft mit jemandem redete. »Fühlen Sie sich gut?«, fragte er daraufhin.
    »Großartig«, beschied ich ihm. »Habe mich nie besser gefühlt. Wieso seht ihr die Sammler nicht? Sie befinden sich anscheinend auf Kollisionskurs mit mir, und dieses riesige Ding darüber müsste auf euren Schirmen glühen wie ein Leuchtfeuer.«
    »Beruhigen Sie sich, X-Orbiter. Wir können weder … sehen … in Ordnung … eine elliptische Bahn … nicht überinterpretieren … leer … Flug …« Die Satzfetzen wurden von statischem Rauschen abgelöst.
    »Bodenkontrolle?« Ich erhielt keine Antwort. »Bodenkontrolle, hören Sie mich?« Ich schlug gegen die Instrumente, doch die Anlage blieb stumm. Fluchend zog ich mir das Mikrofon vom Kopf. Es flog gegen die Seitenwand und trudelte daraufhin unkontrolliert durchs Cockpit. Ein Blick durchs Deckenfenster verriet mir, dass die beiden Sammler unmerklich näher gekommen waren. Während ich mir über ihre Absichten Gedanken machte, erklang plötzlich eine neue Stimme aus dem Lautsprecher und erklärte:

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