Eine Trillion Euro
einmal befinden sich die Öfen nicht unter der Erde, wie er behauptet. Und außerdem würden siebenhundert menschliche Leichen in einem Hochofen die Filter verstopfen und die Metalllegierung völlig ruinieren.«
Saura antwortete mit einer vagen Geste. »Regina hat sich darauf beschränkt, eine im Observer veröffentlichte Nachricht wiederzugeben. Der Artikel beruft sich auf die Aussage eines Kosovaren, eines gewissen Faton, der die Sache wiederum von Bekannten erfahren haben will.«
»Oh, ich wollte Sie durchaus nicht kritisieren. Ganz im Gegenteil. Wir alle wissen, dass der Artikel eine Ente ist. Im Übrigen wurde die Gießerei von Trepca bei einem der ersten Nato-Bombardements zerstört.« Wieder lachte Massimutti. »Der Artikel ist einfach großartig. Wir befinden uns im Krieg und brauchen Kriegsjournalismus. Wenn wir uns damit begnügen, über die Verfolgungen der Kosovo-Albaner durch das serbische Regime zu berichten, werden wir die öffentliche Meinung nie wirklich aufrütteln. Sie wird weiterhin zerstreut und eher feindselig reagieren und ihr Mitleid den armen, ausgebombten Serben widmen. Wir brauchen Monster, nicht einfach nur Feinde. Dabei haben uns Saddams Brutkästen geholfen. Erinnern Sie sich?«
»Allerdings!«
»Genau so sieht unser Konzept aus. Man kann nicht erfolgreich Krieg führen, so lange der Gegner noch menschliche Züge hat. Jeder Bürger, der seinen Fernseher einschaltet, sollte beim ersten Bild von Milosevic oder irgendeinem anderen Serben sofort glauben, er habe eine Art Dämon vor sich. Stimmen Sie mir zu?«
Saura nickte heftig. »Sie wissen sehr genau, dass ich diesbezüglich ganz auf Ihrer Linie bin. Ich glaube unbedingt an die Gerechtigkeit dieses Krieges, aber auch daran, dass die Mittel keine Rolle spielen. Wichtig ist nur, dass wir gewinnen.«
»Das ist auch meine Ansicht. Früher waren wir marxistisch-leninistisch orientiert. Heute sind wir zwar liberal, aber wir richten uns noch immer nach dem Satz: Wenn eine Operation notwendig ist, spielt es keine Rolle, wie der Chirurg das Skalpell handhabt. Kennen Sie das Zitat?«
Saura nickte amüsiert. »Sicher. Es stammt von Lenin, aus einem Gespräch mit dem Anarchisten Armando Borghi.«
»Wir haben wirklich beide den gleichen Background.« Massimutti war sichtlich begeistert. »Eigentlich sollten wir uns duzen.«
»Gerne.«
»Dann pass mal auf, Enrico. Ich habe dich rufen lassen, weil ich dir eine Presseagentur ans Herz legen wollte. Es handelt sich um die ›Ruder & Fink Global Public Affairs‹. Kennst du sie?«
»Natürlich. Das sind die mit der Geschichte von den siebenhundert von den Serben geraubten und schamlos ausgenutzten albanischen Kindern …«
»… denen zwangsweise Blut abgenommen wurde. Eine Riesenlüge, und dumm obendrein. Trotzdem ging die Nachricht um die ganze Welt und hat für ehrliche Entrüstung bei Millionen Lesern und Fernsehzuschauern geführt.«
»Ja, das war schon eine tolle Erfindung. Aber Ruder & Fink arbeitet nicht direkt mit Tageszeitungen. Ihr Kontakt beschränkt sich auf staatliche Presseagenturen und die Nato-Organe.«
»Aber jetzt fusioniert Ruder & Fink mit Hull & Knoltown. Das ist die Agentur, die die Nachricht von Saddams Inkubatoren in die Welt gesetzt hat. Ich weiß, du hast dort früher einmal gearbeitet. Die Fusion wurde sowohl vom Pentagon als auch von sämtlichen Verteidigungsministerien der westlichen Welt abgesegnet. Bald werden noch weitere Agenturen hinzukommen.«
»Zu welchem Zweck?«
Massimuttis Lächeln erlosch. »Als Lückenfüller. Es gibt nämlich immer noch Lücken im Nachrichtenapparat; widerspenstige Augenzeugen und Länder, die sich noch nicht angeschlossen haben. Im Kriegszustand ist das eine mehr als ernste Sache. Jetzt wird darüber nachgedacht, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die sich mit den Schwachpunkten des Systems beschäftigt und Abhilfemaßnahmen vorschlägt. Für Feinde der Demokratie darf es keine Freiräume geben. Die Leute sollen selbst darüber nachdenken und sich richtig entscheiden.«
»Und zum Nachdenken muss man ihnen Vorgaben liefern.«
»Ganz genau.«
Saura spürte, dass die Unterredung beendet war, erhob sich und strich seinen blauen Anzug glatt. »Ich bin voll und ganz einverstanden, Aldo. Meine Zeitung wird sich eurer Sache annehmen. Ich wäre dir dankbar, wenn du mich über die Resultate auf dem Laufenden hältst.«
»Aber natürlich werde ich das. Und vielen Dank im Voraus.« Sie schüttelten sich die Hände.
Auf der Schwelle
Weitere Kostenlose Bücher