Eine Trillion Euro
mir. Es dauert nicht mehr lang, dann werden auch die Inkubi der Feinde ihre Konsistenz einbüßen. Das komplette System ist ausgefallen.«
Vogelniks Blick glitt zu den Bildschirmen. Und tatsächlich schienen die geschnäbelten Dämonen, die inzwischen als Einzige am Himmel übrig geblieben waren, allmählich an Kraft zu verlieren. Eine Vorhut der Ungeheuer schlug mit ihren pergamentartigen Flügeln und stürzte sich Richtung Erdboden. Aber noch ehe die Monster unten ankamen, wurden sie durchsichtig und lösten sich in Nichts auf. Die nachfolgende Sturmtruppe schlug wild um sich und brüllte. Nur Sekundenbruchteile später konnte man den roten Himmel durch sie hindurch schimmern sehen.
»Stimmt. Allmählich verschwinden sie«, brummte Vogelnik.
»Richtig, Herr General«, gab Seierum zurück. »Machen Sie sich also keine Sorgen. Der Defekt wird bald behoben sein.«
Innerhalb weniger Minuten war der Himmel leer. Die entstellten Kreaturen auf der Erde schöpften wieder Mut und zerfleischten sich gegenseitig mit neuer Kraft.
4 1999: Die Blutsauger vom Balkan
Die Säle des Palazzo Chigi, dem Sitz der italienischen Regierung, wirkten immer ein wenig staubig, selbst wenn sie glänzend und sauber geputzt waren. Grund dafür waren der vergoldete Stuck und in noch stärkerem Maß die aufwändige Holzvertäfelung der Wände. Enrico Saura hatte schon immer den leisen Verdacht gehegt, die Vertäfelung diene einzig und allein dazu, Massen widerwärtiger Parasiten zu verbergen. Misstrauisch beäugte er die überladenen Wände des Raumes, in dem er sich aufhielt. Dabei sehnte er sich nach der kühlen Funktionalität der amerikanischen Büros, ihrer minimalistischen Eleganz und ihren großen Fenstern, die den Blick auf ein grandioses Großstadtpanorama freigaben. Rom erstickte ihn.
Der Unterstaatssekretär des Verteidigungsressorts, Aldo Massimutti, klopfte begeistert auf eine Seite der Zeitung Seconda Repubblica, die aufgeschlagen vor ihm lag. »Ich möchte Sie beglückwünschen. Endlich einmal eine Schlagzeile, die uns weiter hilft. Leichen kosovarischer Zivilisten im Krematorium verbrannt. Und die textbegleitenden Bilder sind einfach fantastisch. Wer ist dieser Piero Regina?«
»Einer unserer Korrespondenten. Ein äußerst brillanter Kopf.« Seit zwei Jahren war Saura Chefredakteur der Tageszeitung. Er freute sich über das Kompliment; es bedeutete sozusagen die Krone der Ehre, als Ratgeber der angesehensten Köpfe in den Palazzo Chigi eingeladen worden zu sein. Eines musste er dennoch klarstellen: »Die Bilder habe ich übrigens selbst ausgesucht.«
»Bravissimo!« Massimutti strich sich über den gepflegten Bart, dem einzigen Relikt seiner sorgfältig getilgten Vergangenheit als Kommunistenführer. »Es war eine ausgezeichnete Idee, den Artikel mit Bildern dieser Art zu versehen. Ein Foto von einem Nazi-Krematorium, eine Ablichtung jüdischer Deportierter in Auschwitz … Und dann das Foto von den Leichen. Wer zum Teufel sind diese Leute?«
»Abgeschlachtete Albaner in Rogavo. Die Nachricht kam vor ungefähr einem Monat über die Ticker und hat sogar einige Proteste ausgelöst …«
Massimutti lächelte. »Stimmt, ich erinnere mich. Damals stand in der Zeitung, es handele sich um mutige Zivilisten, die mit Baseballschlägern hingerichtet worden seien. Dabei tragen sie Waffen und wurden eindeutig erschossen.«
Saura zuckte die Schultern. »Die Information haben wir vom deutschen Verteidigungsminister Scharping bekommen. Wir konnten nicht wissen, dass das Gemetzel lange vor dem Krieg stattgefunden hatte. Eine Fehde zwischen serbischen Soldaten und einer Gruppe UCK-Freischärler. Wir konnten uns noch nicht einmal auf Augenzeugen berufen.«
»Unwichtig. Absolut unwichtig. Eine solche Information hat eine Lebensdauer von höchstens vierundzwanzig Stunden. Die anschließenden Dementis können den ersten Eindruck nicht mehr abmildern.« Erneut wandte sich Massimo der Seite in der Seconda Repubblica zu, die seine uneingeschränkte Begeisterung hervorgerufen hatte. Er grinste. »Also hat offenkundig nicht eines dieser drei Fotos tatsächlich mit dem Artikel zu tun. Vor allem das letzte grenzt geradezu an ein Meisterwerk.«
Vorsichtig stimmte Saura zu. »Regina kennt sich wirklich gut aus.«
»Und hat eine ziemlich lebhafte Fantasie. Da schreibt er über Albaner, die in einem Schmelzofen von Trepca verbrannt wurden. Er muss eine merkwürdige Vorstellung von der Funktionsweise einer Gießerei haben. Zunächst
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