Eine Überwinterung im Eise
Uneinigkeit in die Mannschaft zu bringen, und veranlaßte deshalb Johann Cornbutte, dem Obersteuermann
in gewissen Fällen ausweichend zu antworten.
Als die Einrichtungen zur Ueberwinterung beendet waren, traf der Kapitän allerlei Anordnungen für die Gesundheit seiner Mannschaft.
Die Leute mußten an jedem Morgen eine gründliche Lüftung in ihrem Logis vornehmen und die Wände von Tannenholz sorgfältig
abtrocknen, um sie von der Feuchtigkeit, die sich während der Nacht angesetzt hatte, zu reinigen. Sie erhielten Morgens und
Abends Kaffee oder heißen Thee, was ja anerkanntermaßen eins der besten Mittel gegen die Kälte ist. Auch wurden sie in Abtheilungen
gesondert, von denen täglich eine auszog, um frisches Fleisch zur gewöhnlichen Schiffskost herbeizuschaffen.
Außerdem war den Matrosen anbefohlen, sich regelmäßig körperliche Bewegung zu machen und sich nicht regungslos der kalten
Luft auszusetzen; es hätte sonst leicht kommen können, daß ihnen plötzlich Körpertheile erfroren. Wenn ja ein solcher Fall
eintreten sollte, waren sie angewiesen, sofort Reibungen mitSchnee vorzunehmen, die allein sich hilfreich erwiesen.
Penellan drang lebhaft darauf, daß sich die Leute allmorgendlich kalten Abwaschungen unterzogen, was allerdings einen gewissen
moralischen Muth erforderte; es wollte Manchem schwer einleuchten, daß er seinen äußeren Menschen in Schnee tauchen sollte,
den er doch innerlich mit aller Mühe zum Thauen gebracht hatte. Aber Penellan ging tapfer mit gutem Beispiel voran, und Marie
war nicht die am mindesten Eifrige bei der Befolgung seiner Anordnungen.
Johann Cornbutte vergaß auch nicht, fromme Lectüre und Gebet in den Tageslauf mit zu verflechten, denn nur hierdurch konnte
der Verzweiflung und Sorge in den Herzen der Leute der Eingang versperrt und somit der größten Gefahr in diesen Breiten vorgebeugt
werden.
Der stets düstere Himmel erregte natürlich eine gedrückte Stimmung, und ein dichter, von heftigen Winden gepeitschter Schnee
vermehrte noch die gewohnten Schauer der Umgebung. Die Sonne sollte bald ganz verschwinden, aber die armen Seefahrer hofften,
daß der Mond sie ihnen wenigstens in geringem Maße während der langen Polarnacht ersetzen würde, wenn die Wolken über ihrem
Haupt sich verzogen hätten. Bei den jetzt herrschenden Westwinden fiel fortwährend Schnee, so daß die Zugänge zum Schiff täglich
neu gekehrt und die Stufen, auf denen man in die Ebene hinabstieg, wieder gangbar gemacht werden mußten. Mit den Schneemassen
konnte dies leicht geschehen, denn nachdem die Stufen einmal ausgehauen waren, brauchte man nur ein wenig Wasser oben darauf
zu gießen, und sie verhärteten sich sofort.
Penellan ließ in geringer Entfernung von dem Schiff ein Loch in das Eis hacken, und täglich durchbrach man die Kruste, die
sich an seiner obern Mündung von Neuem gebildet hatte, um das Wasser aus der Tiefe heraufzuholen, wo es bedeutend wärmer war,
als auf der Oberfläche.
All diese Vorkehrungen dauerten etwa drei Wochen, und nachdem sie beendet waren, faßte man den Entschluß, die Nachforschungen
weiter zu verfolgen. Das Schiff war auf sechs bis sieben Monate eingekerkert, und erst durch das nächste Thauen konnte ihm
eine Bahn durch die Eisflächen eröffnet werden. Die Zeit dieser gezwungenen Unbeweglichkeit sollte zu Nachforschungen in nördlicher
Richtung benutzt werden.
Achtes Capitel.
Pläne zu Forschungsreisen.
Am 9. October hielt Johann Cornbutte einen Rath ab, um den Plan für seine Operationen zu entwerfen, und ließ all seine Leute
hieran Theil nehmen, damit der Eifer eines Jeden durch die Solidarität der Interessen gehoben würde. Der Kapitän suchte ihnen,
mit der Karte in der Hand, die gegenwärtige Situation klar zu machen.
Die Ostküste Grönlands zieht sich in senkrechter Richtung gen Norden, und die Entdeckungen derSeefahrer haben ihre Grenze genau bestimmt. In diesem Raum von fünfhundert (französischen) Meilen, der Grönland von Spitzbergen
trennt, war noch kein Land recognoscirt worden. Nur ein einziges Stück Land, die Insel Shannon, befand sich etwa hundert Meilen
weit im Norden der Bai von Gaël-Hamkes, in welcher die Jeune-Hardie überwintern sollte.
Wenn also das norwegische Schiff, wie die Wahrscheinlichkeit lehrte, in dieser Richtung fortgerissen war, so durfte man annehmen,
daß es die Insel Shannon nicht hatte erreichen können, und die Schiffbrüchigen hier eine Zuflucht für
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