Eine Überwinterung im Eise
Gervique und Gradlin zum Beistand gegeben.
Johann Cornbutte nahm bedeutende Proviantvorräthe mit, denn er hatte die Absicht, an seinem Wege Depots anzulegen, um die
Reise so weit wie möglich ausdehnen zu können. Sobald der Schlitten fertig war, wurde er beladen und mit einem Zelt von Büffelfellen
bedeckt. Das ganze Fahrzeug hatte jetzt ein Gewicht von etwa siebenhundert Pfund und ließ sich von fünf Hunden leicht auf
dem Eise fort schaffen.
Am 22. October fand, wie der Kapitän voraus gesehen hatte, eine plötzliche Veränderung in der Temperatur statt. Der Himmel
klärte sich auf, die Sterne strahlten in köstlichem Glanz, und der Mond leuchtete am Firmament, um vierzehn Tage lang nicht
wieder zu verschwinden. Das Thermometer war auf fünfundzwanzig Grad unter Null gefallen.
Der Aufbruch war auf den folgenden Tag festgesetzt.
Neuntes Capitel.
Das Schneehaus.
Am 23. October um elf Uhr Morgens setzte sich bei schönem Mondschein die Karawane in Bewegung,und alle Vorsichtsmaßregeln waren dahin getroffen, daß sich die Reise, wenn es sein mußte, auf lange Zeit ausdehnen konnte.
Johann Cornbutte gedachte der Küste in nördlicher Richtung zu folgen. Die Schritte der Reisenden ließen keine Spur auf ihren
Wegen zurück, und Johann Cornbutte mußte sich mittels in der Ferne gewählter Merkzeichen orientiren; bald schritt er auf einen
in Pics auslaufenden Hügel zu, bald auf eine ungeheure Eisscholle, die der Druck empor gerichtet hatte.
Bei dem ersten Halt, den die kleine Schaar nach etwa fünfzehn Meilen machte, traf Penellan die Vorbereitungen zu einem Lagerplatz,
indem er das Zelt an einen Eisblock lehnte. Marie litt nicht sehr von der Kälte, denn da die Brise sich glücklicherweise gelegt
hatte, war die Temperatur weit milder geworden, aber mehrmals hatte sie den Schlitten verlassen müssen und war nebenher geschritten,
um zu verhindern, daß die Circulation des Blutes in Stockung gerieth. Uebrigens bot ihre kleine Hütte, die Penellan auf's
Sorgfältigste hergerichtet hatte, so viel Bequemlichkeit, wie unter solchen Umständen nur irgend möglich.
Als die Nacht oder vielmehr der Augenblick der Ruhe heran kam, wurde das Schlittenhäuschen unter das Zelt gebracht und diente
dem jungen Mädchen zum Schlafzimmer. Die Abendmahlzeit der Gesellschaft bestand aus frischem Fleisch, Pemmican und heißem
Thee. Auch ließ Johann Cornbutte, um der furchtbaren Scorbutkrankheit entgegen zu wirken, an jeden Mann einige Tropfen Citronensaft
vertheilen.
Nach achtstündigem Schlummer nahmen die Reisenden ihren Weg wieder auf, jedoch nicht, bevor sich Menschen und Hunde durch
ein substantiellesMahl gestärkt hatten. Die Thiere zogen den Schlitten mit solcher Leichtigkeit auf dem spiegelglatten Eise fort, daß die Seeleute
ihnen kaum folgen konnten.
Leider zeigte sich bei Mehreren der Leute ein Uebel, das von dem Reflex des Mondscheins auf die unermeßlichen weißen Flächen
herrührte, und das wir mit dem Namen »Blendung« bezeichnen dürfen. Es zeigte sich in einem unerträglichen Brennen und Schmerzen.
Ganz besonders litten Aupic und der Zimmermann Misonne darunter, bei denen förmliche Ophthalmien auftraten.
Auch bemerkte man eine sehr eigenthümliche Wirkung der Strahlenbrechung, wenn man nämlich den Fuß auf eine Erhöhung zu setzen
meinte, glitt er tiefer hinab, wodurch mancher Fall verursacht wurde. Zum Glück jedoch verletzte sich Niemand ernstlich, und
so boten diese kleinen Unfälle Penellan nur Stoff zu heiteren Scherzen. Trotzdem jedoch befahl er den Leuten, keinen Schritt
zu thun, ohne vorher den Boden mit dem eisenbeschlagenen Stabe, den Jeder mit sich trug, zu untersuchen.
Am 11. November, also zehn Tage nach dem Aufbruch von der Jeune-Hardie, war die Karawane etwa fünfzig Meilen nach Norden vorgeschritten,
und die Ermüdung schon bei sämmtlichen Reisenden außerordentlich groß. Johann Cornbutte empfand schreckliche Blendungen, und
sein Gesicht hatte sich in Folge dieser Qualen sehr geschwächt. Aupic und Fidèle Misonne gingen nur noch tastend weiter, und
ihre Augen schienen von dem weißen Reflex wie versengt; nur Marie war bis jetzt von diesem Leiden verschont geblieben, da
sie möglichst viel in ihrer Hütte blieb, und Penellan wurde von seinem wirklichheldenmäßigen Muth aufrecht erhalten; er leistete Widerstand gegen die furchtbarste Ermüdung. Wer sich jedoch von der ganzen
Reisegesellschaft am Besten befand und Kälte, Schmerzen und
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