Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Überwinterung im Eise

Eine Überwinterung im Eise

Titel: Eine Überwinterung im Eise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
Ohr klang. Er horchte auf, und der Ton erschien ihm so
     seltsam, daß er Johann Cornbutte weckte, indem er ihn mit dem Ellenbogen anstieß.
    »Was geht vor? fragte dieser; er hatte nach seemännischer Gewohnheit seinen Geist ebenso schnell wachgerüttelt, wie seinen
     Körper.
    – Hören Sie, Kapitän!« war die ganze Antwort des Untersteuermanns.
    Das Geräusch nahm mit merklicher Heftigkeit zu.
    »Donner kann es nicht sein; äußerte Johann Cornbutte, indem er sich erhob; das wäre unter so hohen Breiten unmöglich!
    – Ich glaube eher, daß wir's mit einer Bande Eisbären zu thun bekommen! gab Penellan seine Meinung ab.
    – Teufel! wir haben doch bis jetzt noch keine bemerkt.
    – Früher oder später werden wir uns wohl auf ihren Besuch gefaßt machen müssen. Jedenfalls wollen wir sie gut aufnehmen.«
    Penellan bewaffnete sich mit einer Flinte undüberstieg sehr geschickt den Block, der ihnen als Schutzmauer diente. Da indessen die Dunkelheit außerordentlich groß und
     das Wetter bedeckt war, konnte er nichts wahrnehmen. Eine neue Beobachtung ließ ihn alsbald erkennen, daß er die Ursache des
     Rollens nicht in der Umgebung zu suchen habe. Jenes Geräusch war jetzt so heftig geworden, daß auch die anderen Gefährten
     davon erwacht waren, und man bemerkte mit Schrecken, daß es unter ihren Füßen hervordrang.
    Eine neue, furchtbare Gefahr that sich vor ihnen auf, denn dem rollenden Lärm gesellte sich bald eine deutlich wahrnehmbare,
     wellenförmige Bewegung des Eisfeldes zu, so daß mehrere Matrosen das Gleichgewicht verloren und fielen.
    »Achtung! rief Penellan.
    – Holla! antworteten die Matrosen.
    – Turquiette! Gradlin! Wo seid Ihr?
    – Hier! schrie Turquiette und schüttelte den Schnee von sich ab.
    – Hierher, Vasling, rief Johann Cornbutte dem Obersteuermann zu. Ist Gradlin da?
    – Ja, Herr Kapitän!... aber wir sind verloren! antwortete dieser.
    – Im Gegentheil, wir sind vielleicht gerettet!« rief Penellan. Er hatte kaum diese Worte vollendet, als ein furchtbares Krachen
     sich vernehmen ließ; die Eisfläche barst mitten durch, und die Seeleute waren genöthigt, sich an den Block zu klammern, der
     neben ihnen hin- und herschwankte. Trotz der Behauptung des Untersteuermanns befanden sie sich in äußerster Gefahr; die Eisschollen
     waren in ihren Grundfesten erschüttert; sie hatten, um den seemännischen Ausdruck dafür zu gebrauchen, »die Anker gelichtet«.
     Dieschwankende Bewegung dauerte beinahe zwei Minuten, und die Unglücklichen fürchteten jeden Augenblick, daß sich ein Spalt
     unter ihnen aufthäte und sie verschlänge. So erwarteten sie in großer Angst den Anbruch des Tages, denn bis dahin konnten
     sie bei Lebensgefahr nicht wagen, einen Schritt zu thun, und mußten ausgestreckt liegen bleiben, um ihren Untergang zu vermeiden.
    Beim ersten Tagesleuchten bot ihnen die Gegend ein völlig verändertes Bild; sie hatten am Abend vorher nur eine ungeheure,
     ebene Fläche gesehen, so weit ihr Auge reichte; jetzt war sie an tausend Stellen zerrissen, und die durch irgendwelche unterseeische
     Bewegung aufgewühlten Fluthen hatten sie zerschmettert und zerbrochen.
    Johann Cornbutte dachte mit tiefer Bewegung an seine Brigg.
    »Mein armes Schiff! es ist jedenfalls verloren!« rief er aus.
    Die tiefste Verzweiflung malte sich auf den Zügen seiner Begleiter; zog ja der Untergang des Schiffes unvermeidlich ihren
     Tod nach sich!
    »Muth, Freunde! rief Penellan; denkt daran, daß uns durch das Ereigniß dieser Nacht vielleicht ein Weg durch die Eisflächen
     gebahnt ist, auf dem wir die Brigg in die Ueberwinterungsbai führen können! Seht dorthin, ich habe mich nicht geirrt; schon
     jetzt ist uns die Jeune-Hardie um mindestens eine Meile näher gerückt!«
    Alle stürzten nach der bezeichneten Richtung zu, und zwar so unvorsichtig, daß Turquiette in einen Spalt gerieth und unfehlbar
     seinen Untergang gefunden haben würde, hätte ihn nicht Johann Cornbutte noch zu rechter Zeit an den Kleidern ergriffenund hervorgezogen. So kam er für dies Mal mit einem kalten Bade davon.
    Die Brigg schwamm wirklich zwei Meilen näher vor dem Winde, und als die kleine Schaar nach endlosen Mühen bei ihr anlangte,
     fand man sie zwar in gutem Stande, aber ihr Steuerruder war von den Eisschollen zerbrochen. Man hatte versäumt, es emporzuheben.

Siebentes Capitel.
Vorkehrungen für die Überwinterung.
    Penellan hatte wieder ein Mal Recht gehabt: Alles in dieser Welt muß uns zum Besten dienen,

Weitere Kostenlose Bücher