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Eine unbegabte Frau

Eine unbegabte Frau

Titel: Eine unbegabte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burgess
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Sollten sie einer japanischen Patrouille begegnen, dann würden sie sich zu Boden werfen, wie sie es gelernt hatten, und mit ihren Gewehrsalven winzige Staubfontänen zwischen den Füßen der Feinde aufspritzen lassen. Sie würden die feindliche Patrouille schon eine Weile aufhalten — falls diese nicht mit einem Geschütz anrückte! Und falls nicht eines dieser scheußlichen Kampfflugzeuge aufstieg, das sie mit Bordwaffen aus diesem Leben beförderte. Bis zur Nacht konnten sie jedenfalls durchhalten; die Nacht war die Rettung. Dann mußten sie ihren Kameraden auf dem gegenüberliegenden Ufer ein Signal geben, und das hochwillkommene Boot käme, mit Schilf getarnt, zu ihnen herübergerudert. Das Gesicht war dann gewahrt, wenn die Nacht kam. Genug Gesicht jedenfalls, um den Leutnant zufriedenzustellen, der, seine melonengelben Wangen zu einem Lächeln verziehend, gesagt hatte: »Nun, wenn es zum Schlimmsten kommt, könnt ihr ja immer noch schwimmen.« Der Herr Leutnant brachte bei allen Gelegenheiten gern seine strategische Erkenntnis an: daß weder Männer noch Land unersetzlich sind: »China ist groß«, pflegte er zu sagen. »Menschen und Land spielen gar keine Rolle, wir haben von beiden mehr als genug.«
    Der junge Offizier sah über den strudelnden Fluß. Ja — dann konnte man immer noch schwimmen. Auch wenn dich die Kugel erwischt hat, ist es besser, dich rückwärts in das schwellende Wasser fallen zu lassen als in die Hände der schintoistischen Feinde. Das Wasser ist warm und allumfangend; der ölige Blutstrahl treibt an die Oberfläche und wird sogleich von der Strömung in Streifen geteilt und wieder verschlungen. Da stirbst du schnell; und wird dein Körper, ehe er das Meer erreicht, ans Ufer gezogen, dann darfst du sicher sein, daß dies jemand tut, der deine Uniform nötiger braucht als du...
    Er scheuchte eine Fliege von seiner schweißbedeckten Stirn. Schließlich war Krieg. China war immer ein Land der Spieler gewesen; jetzt war das Klappern der Figuren auf dem Schachbrett ersetzt durch tödlicheres Spielzeug: man spielte mit dem Leben.
    Seine schweifenden Gedanken wurden plötzlich unsanft in die Wirklichkeit zurückgerissen: Ein Geräusch! Ein sonderbares Geräusch! Noch fern dieser hohe Laut, schwankend und unsicher. Ein Flieger? Seine Männer mußten das gleiche gedacht haben, er sah, wie sie die Helme aus der Stirn schoben und wie ihre Augen den wolkenlosen Himmel angestrengt absuchten. In den letzten Tagen war es ungewöhnlich still über dem Gelben Fluß gewesen, während in den vorangegangenen Wochen alles, was sich bewegte, von den japanischen Fliegern beschossen worden war. Oft streiften sie mit ganzen Salven das schilfbestandene Ufer ab oder warfen eine schwere Bombe in den Fluß, so daß eine Riesenwand wütenden Wassers sich auftürmte — pfeifend und rauschend, eine Drohung für fast alles Lebendige.
    Aber das — klang es nicht fast wie Gesang? Nur schwach, hoch und eintönig das helle Piepsen von Kinderstimmen. Er schüttelte den Kopf, wie um klarer hören und denken zu können. Der Fluß war an dieser Stelle einen Kilometer breit; vielleicht waren es Kinder in den Dörfern auf der anderen Seite, die Schulunterricht hatten. Aber trugen die Stimmen so weit? Er stieg auf eine kleine Anhöhe am Ufer, auf der Kuppe vorsichtig auf allen vieren kriechend. Um besser zu sehen, mußte er sich aber doch aufrichten, und jetzt entrang sich ihm ein Laut fassungslosen Erstaunens. Er griff nach seinem Fernglas und stellte scharf ein. Verblüffend genug war der Anblick, der sich ihm jetzt bot: in einem weiten Rund saß laut singend ein Kreis von Kindern! Nur ein paar kleinere vergnügten sich lachend und lärmend im flachen Wasser am Uferrand.
    Er befahl seinen Leuten mit einer Handbewegung, zurückzubleiben. »Wartet hier«, sagte er. »Es kann eine Falle sein. Paßt gut auf.«
    Die Japaner hatten bei ihren Angriffen schon oft Flüchtlinge vor sich hergetrieben. Und wo kamen diese Kinder her? Alle Flüchtlinge hatten schon vor Tagen dieses Gebiet verlassen, der Fluß war für Zivilisten gesperrt. Als er am Ufer entlangging, konnte er erkennen, daß es tatsächlich chinesische Kinder waren, denn als die Jüngsten ihn sahen, liefen sie auf ihn zu und jubelten und schrien vor Freude.
    »Ai-weh-deh«, riefen sie, »hier kommt ein Soldat! Ein Soldat!«
    Nun erst bemerkte der junge Offizier die kleine Frau, die auf der Erde gesessen hatte. Sie war mager, sie sah recht verhungert aus. Als er herankam,

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