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Eine unbegabte Frau

Eine unbegabte Frau

Titel: Eine unbegabte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burgess
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möglich fort sein. Sie brachten die Nacht in den Feldern zu und setzten am nächsten Morgen ihren Weg zur Stadt Mien Chu fort. Auch dieser Ort war schlimm von Bomben getroffen, sie erfuhren aber von einer Flüchtlingsorganisation, die in einem alten Tempel tätig war. Hier gab es große Kessel mit dampfendem Essen, und sie wurden freundlich aufgenommen. Dann aber kam die Polizei. Der Inspektor war ein dicker, geschäftiger, von seiner Wichtigkeit aufgeblasener Herr. Er stolzierte zu Gladys heran, und die Unterhaltung, die sich nun entspann, ist es wert, festgehalten zu werden.
    »Wie ich höre«, begann er, »geben Sie an, heute den Gelben Fluß, den Hoang-ho, überquert zu haben.«
    »Ja.«
    »Dann sind Sie verhaftet. Sie können den Hoang-ho gar nicht überquert haben.«
    »Verhaftet! Aber weshalb denn?«
    »Sie sagen, Sie haben den Hoang-ho überquert.«
    »Ja.«
    »Und niemand war dabei, als Sie übersetzten?«
    »Nein — nur die Kinder.«
    »Es kommt niemand über den Fluß. Wie wollen Sie also herübergekommen sein!«
    Gladys schüttelte verständnislos den Kopf. »Wir trafen einen Soldaten, der das Boot für uns herbeirief!«
    »Es gibt drüben keinen Soldaten, der ein Boot rufen kann. Sie sind verhaftet!« Mit amtlicher Strenge kniff er den Mund zusammen. Hier war er entschieden dem interessantesten Verbrechen auf der Spur, das in seinem Gebiet seit Jahren vorgekommen war.
    »Glauben Sie denn, daß ich drüben stillsitzen und warten sollte, bis die Japaner kamen?« fragte sie hitzig. »Außerdem, wenn Sie mich festnehmen, müssen Sie sämtliche Kinder ebenfalls festnehmen.«
    Eine kurze Wolke des Ärgers überflog sein glattes Beamtengesicht bei dieser Komplikation.
    »Sie werden doch nicht behaupten, daß Sie für hundert Kinder verantwortlich sind?«
    »Doch. Es ist ja auch sonst niemand da, der für sie sorgt.« Sie war müde; es war spät; und sie brauchte Ruhe. Sie bot ihre ganze Überredungskunst auf.
    »Dürfen wir nicht wenigstens heute nacht hierbleiben? Morgen früh gehe ich in den Yamen oder komme zur Polizeistation, sowie Ihr Dienst anfängt — dann können Sie mich ja verhaften.«
    Der dicke kleine Polizist sah zweifelnd drein.
    »Ich muß Sie aber vor dem Friedensrichter verhören«, sagte er dann selbstgefällig.
    »Nun, mit soviel Kindern kann ich Ihnen wohl kaum fortlaufen, nicht wahr? Ich komme gleich morgen früh in den Yamen, und Sie können mich alles fragen, was Sie wollen.«
    Damit mußte er sich zunächst zufriedengeben. Markigen Schrittes ging er hinaus in die Abenddämmerung, und Gladys breitete todmüde ihr Bettzeug auf dem Boden aus. Den Japanern oder dem Amtsschimmel entkommen — dachte sie, ist offenbar gleich schwer.
    Am Morgen ließ sie die Kinder auf dem Wege zur Polizeistation vor sich hermarschieren. Ihr großes Gefolge wurde nicht eingelassen, und die Kinder blieben aufgeregt und ängstlich zurück, weil sie meinten, ihrer Ai-weh-deh drohe Gefahr. In dichtem Haufen drängelten sie sich vor der Tür des Yamen, und sobald Gladys im Gebäude verschwand, fingen die kleineren an zu weinen.
    Der Friedensrichter war ein wohlwollend aussehender Dorfaldermann, dem man anmerkte, daß er den eifrigen Polizisten nicht allzu ernst nahm. Der aber blieb starrköpfig bei seiner Anklage:
    »Sie behaupten noch immer, daß Sie den Hoang-ho überquert haben?«
    »Ja.«
    »Und ich sage Ihnen, das stimmt nicht.«
    »Aber ich versichere, daß ich die Wahrheit sage«, ereiferte sich Gladys. »Wie könnten wir denn sonst von der Provinz Schansi in die Provinz Honan gekommen sein, wenn wir nicht über den Gelben Fluß gesetzt wären?«
    »So. Und wie konnten Sie das — ohne Boot?«
    »Wir wurden ja mit einem Boot übergesetzt! Ein Soldat rief es von der anderen Seite herüber!«
    »Dann haben Sie ein Verbrechen begangen. Wollen Sie bitte dieses Dokument zur Kenntnis nehmen.«
    Ein Unterbeamter, des Winks des Dicken gewärtig, reichte ihm eine bedeutend aussehende Rolle, die er Gladys übergab.
    Sie durchlief das Schriftstück. Zwischen Siegeln und imposanten Stempeln las sie, daß auf Befehl des Nationalistischen Oberkommandos der Hoang-ho für allen Publikumsverkehr gesperrt sei. Niemand durfte ihn überqueren oder in irgendeiner Richtung befahren. Der Befehl war vor fünf Tagen erlassen worden.
    »Also das war der Grund, warum kein Boot aufzutreiben war!« sagte Gladys.
    »Sie geben jetzt also zu, daß Sie dieses Verbrechens schuldig sind?« donnerte sie der Polizist an.
    »Natürlich bin ich

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