Eine unbegabte Frau
Köpfe und grüßten sie.
Gladys trat energisch und fröhlich auf und versuchte, jenen Krankenschwestern zu gleichen, die ihr seit ihrer frühesten Kindheit durch ihr forsches, fröhliches Wesen so imponiert hatten.
»Guten Morgen«, sagte sie. »Habt ihr gut geschlafen? Höchste Zeit, daß ihr eure Medizin schluckt.«
Die Hospitalhöhle lag noch innerhalb der Dorfmauer, die sich so an den Bergabhang anschmiegte, daß man aus einiger Entfernung den gewachsenen Fels vom gemauerten Wall nicht unterscheiden konnte. Der Berg hing schützend wie ein Kliff über dem Dorf und fiel jenseits der Siedlung steil ab.
In Friedenszeiten wurde die Höhle im Sommer als Stall, im Winter aber, wenn der Schnee unaufhörlich fiel, als Speicher für die Lebensmittelvorräte benutzt. Mit Hilfe der Bauern hatte Gladys die Höhle gesäubert und als Hospital eingerichtet, denn es fehlte jede Möglichkeit, die Verwundeten von Yang Cheng anderswo unterzubringen. Viele hatten sich trotz ihrer Verletzungen selbst hierhergeschleppt, andere wurden getragen, um hier Zuflucht und Rettung zu finden. Gladys arbeitete sich schnell ein, als ob sie ahnte, daß nur wenige Wochen später noch weit mehr Unfälle ihre Hilfe erfordern würden. Japanische Flugzeuge feuerten auf Erkundungsflügen mit Maschinengewehren, und wenn sie gerade Lust hatten, warfen sie auch Bomben. Militärpatrouillen schossen auf jeden Dorfbewohner, den sie bei der Feldarbeit oder am Bergabhang sahen. Francis, einer ihrer kleinen Schutzbefohlenen, wurde nahe bei seinem elterlichen Hause von einem Flugzeug angegriffen, eine Kugel durchschlug seine Hand und trennte drei Finger ab.
Bald verbreitete sich die Nachricht von dem improvisierten Hospital in Bei Chai Chuang. Die meisten Verletzungen entstanden durch Maschinengewehrfeuer. Gladys behandelte die Wunden, so gut sie es vermochte, auf primitive Weise zwar, aber erfolgreich. Sie besaß Rizinusöl, Schwefel und das unvermeidliche Permanganat von Pottasche, dazu eine Metallspritze von einer Größe, die fast an ihres Vaters Rosenspritze heranreichte, mit der er nach Feierabend in Edmonton so eifrig tätig war.
In der Höhle kochte Chung Ru Mai, die sie die Bibelfrau nannten, das Wasser ab, in dem Gladys die heilenden Kristalle auflöste. Sie füllte vorsichtig ihre Spritze und wandte sich dem ersten Patienten zu. Es war ein junger Bauer von den Feldern nahe Yang Cheng. Eine Kugel war durch seine Wade gedrungen. Er lächelte, als sie sich ihm näherte, und zog sein blaues baumwollenes Hosenbein hoch.
»Halten Sie die Schüssel darunter«, wies Gladys ihn an. Die Wunden mit lila Permanganat auszuspritzen — das war ihre Therapie. Sie hatte Erfolg, denn nur einer ihrer Patienten starb. Auch er war ein junger Bauer gewesen. Eine japanische Kugel hatte seinen Ellbogen zerschmettert und war durchgeschlagen bis in den Magen. All ihr Spritzen, all ihre Fürsorge und Geduld konnten ihn nicht retten.
Die Frühjahrsoffensive der Japaner entlang der uralten Mauleselpfade bis zum Gelben Fluß war offensichtlich nur ein vorbereitender räuberischer Überfall. Im Herbst wurden ihre Armeen aus Tsechow herausgezogen und nach Suan verlegt. Die Operationen in Nordchina in diesen ersten Monaten des Krieges waren nur Übungen in schwierigem Terrain gewesen, und erst vom nächsten Frühling ab marschierten sie dann, den alten Handelswegen folgend, tiefer in die Berge hinein. Jedes Widerstandsnest wurde mit der Brutalität überwältigt, die seit den Tagen der frühesten mongolischen Invasionen jeden Feind, der von Norden kam, charakterisiert hatte. Nachdem sie durch Yang Cheng gezogen waren, drangen die Japaner weiter vor bis Chauchun. Dort verhafteten sie einen großen Teil der Bevölkerung, darunter auch Hsi-Lien, den Maultiertreiber, den Gladys so gut kannte. Eine Vorausabteilung hatte ihn zu Hause bei seiner Familie überrumpelt, als er mit seiner Frau und seinen drei Kindern bei der Mahlzeit saß. Grinsend stießen ihn die eckigen kleinen Japaner aus dem Hause hinaus. »Du bist ein guter, kräftiger Maultiertreiber«, sagten sie. »Du wirst unser Munitionsträger sein, und dir und deiner Familie soll dann nichts geschehen. Verstehst du?«
»Aber ich kann das nicht«, sagte Hsi-Lien zitternd. »Ich bin Christ. Ich bin Pazifist. Wenn ich eure Kugeln trage, würde ich euch helfen in eurem Krieg. Ich kann das nicht tun.«
Sie brachten ihn zu einem Offizier, und Hsi-Lien stand auch hier zu seiner Überzeugung.
»In diesem Falle«, sagte der
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