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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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AG – Verwaltung«, las sie, »sechster Stock.«
    Sie nahmen den Aufzug ins oberste Stockwerk. Auch hier oben hatte Jagoda nicht gekleckert. In den anderen Stockwerken gab es Teppichböden, bei der JagoPharm war es Parkett. Der Empfangstresen war aus Granit, an den Wänden hingen riesige Pop-Art-Gemälde, die Flachbildschirme der computergesteuerten Überwachungsanlage waren neuestes Hightech. Dagegen wirkte die blondierte Zwanzigjährige mit ostdeutschem Akzent und Nasen- und Augenbrauen-Piercing gewöhnlich. Bodenstein und Pia stellten sich vor und baten um ein Gespräch mit Hans Peter Jagoda. Die Blondierte hatte einige Mühe mit der Telefonanlage und entschuldigte sich verlegen damit, dass sie von einer Zeitarbeitsfirma und heute zum ersten Mal hier im Einsatz sei. Die Kriminalpolizei schien sie zusätzlich zu verunsichern. Irgendwann erreichte sie jemanden und wirkte erleichtert, als sie die Besucher in einen Konferenzraum am Ende des Flures begleiten konnte. Bodenstein blickte sich um. Der Besprechungsraum wurde von einem ovalen Tisch beherrscht, an dem zwölf Stühle mit verchromten Lehnen standen. Auf einem schwarzen Sideboard standen auf einem Tablett Gläser und kleine Wasserflaschen, daneben lag ein Stapel Zeitschriften, den Bodenstein in Augenschein nahm. Neben dem Managermagazin fand er Magazine wie Going-Public, Capital und Ähnliches. An den mit hellgelbem Stoff bespannten Wänden hingen gerahmte Werbeplakate der JagoPharm AG, die aus besseren Zeiten stammten. Der Parkettfußboden knarrte, als Bodenstein an das Fenster trat, das auf den Hinterhof führte. In diesem Augenblick öffnete sich eine Tür des Firmengebäudes, und ein Mann kam heraus. Bodenstein hätte Robert Kampmann beinahe nicht erkannt, denn statt Reithosen und Stiefeln trug er Anzug und Krawatte.
    »Frau Kirchhoff«, sagte Bodenstein leise, »schauen Sie mal.«
    Pia trat neben ihren Chef.
    »Das ist doch Kampmann«, stellte sie fest. »Was macht der denn hier?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Bodenstein. Kampmann stieg in den Cayenne, der neben einem Maybach und einem Ferrari geparkt war.
    »Ansehnlicher Fuhrpark«, bemerkte Pia. »Für eine fast bankrotte Firma wirklich sehr beachtlich.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass die JagoPharm AG bankrott sein soll?«, ertönte eine Stimme hinter ihnen. Hans Peter Jagoda hatte den Raum betreten. Er trug einen dunkelgrauen Zweireiher, dazu eine dezent gemusterte Krawatte und blankpolierte Maßschuhe. Seine wächserne Blässe wirkte kränklich. Pia blieb ihm eine Antwort schuldig und stellte Jagoda ihren Chef vor.
    »Nehmen Sie doch Platz«, Jagoda machte eine Handbewegung in Richtung Tisch. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Bodenstein und Pia lehnten höflich ab und setzten sich. Bodenstein versuchte, aus dem feingliedrigen Mann mit der leisen Stimme klug zu werden. Auf den ersten Blick wirkte Hans Peter Jagoda harmlos, beinahe weibisch, aber eine Karriere, wie er sie gemacht hatte, machte niemand, der rücksichtsvoll und nachsichtig war. Die scharfe Wachsamkeit in den flinken hellen Augen stand in krassem Gegensatz zu seinem höflichen Auftreten. Bodenstein dachte an das, was Ralf Kirchhoff erzählt hatte. Man tat gut daran, sich nicht von seinem Äußeren täuschen zu lassen. Jagoda saß scheinbar ganz locker da, doch das Wippen seines Fußes verriet seine innere Anspannung.
    »Wir ermitteln in der Mordsache Isabel Kerstner«, Bodenstein förderte wieder sein Diktiergerät zutage, »und wir möchten von Ihnen gerne wissen, ob Sie die Stimme auf dem Band erkennen.«
    Er spielte den Satz vom Anrufbeantworter vor und beobachtete, wie Jagoda ganz kurz das Fußwippen einstellte.
    »Das ist meine Stimme«, sagte er dann ruhig. »Ich war ziemlich verärgert über Isabels Nichterscheinen. An diesem Abend habe ich eine Gesellschaft gegeben und sie auch dort erwartet.«
    »Warum hatten Sie Isabel eingeladen?«, erkundigte Pia sich. »Am Montag hatte ich den Eindruck, dass Sie nicht besonders viel von ihr hielten.«
    Ein leichtes Lächeln spielte um Jagodas Lippen.
    »Das tat ich auch nicht«, erwiderte er. »Aber meine persönliche Meinung spielte keine Rolle. Frau Kerstner war bei mir angestellt, und ihren Job machte sie gut.«
    »Sie war bei Ihnen angestellt?«
    »Ja. Sie klagte immer darüber, dass sie dringend Geld brauchte, und da machte ich ihr den Vorschlag, für mich zu arbeiten.«
    »In welcher Position war sie tätig?«, fragte Bodenstein.
    »Sie war bei der JagoPharm zuständig für

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