Eine unbeliebte Frau
Aktionäre, den Leiter der Kreditabteilung und den Vorstandschef seiner Bank mit Hilfe einer handfesten Erpressung zu zähneknirschender Loyalität gebracht. Zweifellos hatte ein netter kleiner Film mit kompromittierendem Inhalt eine Menge Überzeugungskraft.
»Er hat mich angelogen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken«, ärgerte Pia sich, als der Film zu Ende war.
»Auf jeden Fall war es nicht Döring, der die Wohnung hat ausräumen lassen«, sagte Bodenstein. »Ich denke, Jagoda wollte genau diese DVD finden, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Isabel ihm von deren Existenz brühwarm erzählt hat. Jagoda war möglicherweise die Geldquelle, die sie dieser Thordis gegenüber erwähnt hat.«
»Sie meinen, sie hat wiederum Jagoda erpresst?«, fragte Hasse.
»Das könnte ich mir vorstellen«, Bodenstein nickte. »Jagoda hat sie nicht umgebracht. Er musste nur diese DVD bekommen, denn er konnte nicht das Risiko eingehen, dass so ein Film jemand anderem in die Hände fallen würde.«
Was noch vor ein paar Tagen wie ein Mord aus gekränkter Eitelkeit oder Eifersucht ausgesehen hatte, wuchs sich allmählich zu einem weitaus komplexeren Fall aus. Hier ging es nicht mehr nur um eine tote junge Frau, sondern um viel mehr, aber Bodenstein konnte die Tragweite der Ereignisse, die genauen Zusammenhänge und Gründe noch nicht verstehen. War Isabel Kerstner wirklich nur ein außer Kontrolle geratenes Werkzeug, oder hatte sie im Auftrag von jemandem gehandelt? Sein Instinkt sagte ihm, dass sie rein zufällig auf dunkle Machenschaften gestoßen waren, aber worum es tatsächlich ging, begriff er noch nicht.
Behnke legte eine der fünf kleinen Kassetten in den Kassettenrecorder ein, der in der Mitte des Tisches im Besprechungsraum stand. Isabel Kerstner hatte mit ihrem Anrufbeantworter Telefongespräche mitgeschnitten. Wie aufschlussreich sie sein würden, war noch nicht zu beurteilen, aber es war durchaus interessant. Mit Jagoda amüsierte sie sich über die gemeinsamen Opfer, sie beschwerte sich über die Unattraktivität mancher Kunden, worauf Jagoda sie an ihr fürstliches Honorar erinnerte. Im Laufe der Zeit änderte sich der Tonfall der Gespräche, und man merkte, wie geschickt Isabel es angestellthatte, ihren Auftraggeber auch in ihr Bett zu locken. Jagoda schien nicht auf die Idee zu kommen, dass Isabel ein Telefongespräch aufzeichnen könnte. Bei einem Gespräch erging er sich in einer äußerst anschaulichen Beschreibung dessen, was er mit ihr zu tun gedachte, und ließ sich dazu hinreißen, seine Frau mit abfälligen Bemerkungen zu titulieren.
»So viel zur großen Liebe«, sagte Pia sarkastisch. Die zweite Stimme, die den Beamten der Mordkommission bekannt war, war die von Kampmann, aber aus den Gesprächen wurde niemand schlau. Es ging um Pferde und Geldsummen, um Leute, die offenbar von Kampmann Pferde gekauft hatten. Der Name Marquardt fiel mehrfach, ebenso die Namen Hart, Neumeyer und Payden. Auch andere Einsteller von Gut Waldhof, die Bodenstein und Pia bekannt waren, wurden erwähnt. Isabels Stimme klang ganz normal, den verführerischen Tonfall hatte sie sich wohl für Jagoda aufgehoben.
»... ich könnte mich totlachen«, sagte sie belustigt, »du hast der blöden Payden einen total platten Gaul verkauft, der außerdem noch tragend, dämpfig und sechs Jahre älter ist. Was machst du, wenn es rauskommt?«
»Nichts«, Kampmann klang selbstgefällig, »bis die das alles rausfinden, sind die Kinder so vernarrt in das Pony, dass sie es eh nicht mehr hergeben. Ich hole übrigens morgen Abend ein Pferd, das ich für die Conrady vorgesehen habe. Ein echter Kracher und todschick dazu. Du musst es eine Weile reiten. Wenn sie dich auf dem Esel sieht, wird sie verrückt.«
»Was ist der Haken an der Sache?«
»Das Vieh ist völlig über die Uhr«, sagte Kampmann. »Der geht auf keinem Turnier der Welt mehr ins Dressurviereck. Aber zu Hause ist er Spitzenklasse. Wenn die blöde Kuh ihren Alten erst so weit hat, dass er die Kohle lockermacht, sorge ich schon dafür, dass sie nie bis aufs Turnier kommt. Wie immer .«
Die Mitarbeiter des K11 rätselten eine Weile, aus welchem Grund Isabel Kerstner diese Gespräche aufgenommen hatte. Wichtiger erschienen ihnen die anderen Dinge, die Bodenstein und Pia aus dem geheimen Fußbodenversteck gefischt hatten.
»Legen Sie mal eine andere DVD ein«, forderte Bodenstein seine Mitarbeiter auf. Die Sequenzen dieses Films zeigten das Bett in Isabel Kerstners Schlafzimmer
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