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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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kompetentere als die vom Vortag, brachte in Erfahrung, dasser den Vormittag über zu Hause in Kronberg zu erreichen sei. Das Haus von Hans Peter Jagoda war ein erstaunlich normaler Walmdachbungalow mit schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern. Allerdings stand es auf einem beachtlichen Grundstück, das die Ausmaße eines Golfplatzes hatte und auch ähnlich gut gepflegt war. Die Frau, die ihnen die Haustür öffnete, war ungefähr Mitte dreißig, fast so groß wie Bodenstein und nicht nur dick, sondern fett. Früher mochte sie einmal recht hübsch gewesen sein, aber alle Konturen ihres Gesichts waren von einer Fettschicht verwischt. Sie trug eine karierte Reithose und ein zeltartiges dunkelgrünes Polohemd mit dem Aufdruck ›Gut Waldhof‹. Ihr glänzendes dunkles Haar war zu einem Zopf geflochten. Bodenstein dachte sofort an die verächtlichen Bemerkungen auf der Kassette von Isabel Kerstners Anrufbeantworter. ›Fette Henne‹ hatte Jagoda über seine Frau gesagt, und Isabel hatte sie gar als ›Walross‹ bezeichnet.
    »Sind Sie Frau Jagoda?«, fragte er höflich. Als sie nickte, stellte er sich und Pia Kirchhoff vor. Sie musterte Pia scharf von Kopf bis Fuß, Bodenstein dagegen streifte sie nur mit einem raschen, uninteressierten Blick.
    »Wir wollten mit Ihrem Mann sprechen. Ist er zu Hause?«
    »Was wollen Sie von ihm?«
    »Mit ihm sprechen«, Bodenstein hatte nicht vor, ihr sein wahres Ansinnen auf die Nase zu binden.
    »Warten Sie hier«, Frau Jagoda trat endlich einen Schritt zurück. »Ich hole ihn.«
    Sie ließ die Haustür offen, wandte sich ab und stampfte davon.
    »Was für eine Walküre«, bemerkte Bodenstein beeindruckt.
    »Grotesk«, murmelte Pia, die sich den zarten Hans PeterJagoda und diesen Trumm von einer Frau zusammen vorstellte. Bodenstein betrachtete neugierig das Innere des Hauses. Bruchsteinwände und dicke Holzbalken sollten wohl den Eindruck eines Landhauses vermitteln, zu dem der helle Granitfußboden und die dünnen Drähte der Niedervolt-Halogenbeleuchtung nicht recht passen wollten. Die rustikalen Möbel hätte Bodensteins Mutter abwertend als ›Gelsenkirchener Barock‹ bezeichnet, wenngleich sie sicherlich nicht billig gewesen waren. Jagoda tauchte nach wenigen Minuten auf. Heute war er nicht in feinen Zwirn gekleidet, sondern in ein verschwitztes graues T-Shirt und eine weiße Jogginghose.
    »Guten Morgen«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun?«
    Seine Frau baute sich hinter ihm auf wie ein grimmiges Gebirge aus Fleisch und Stoff. Sie überragte ihren Mann um einen Kopf.
    »Wir hätten Sie gerne kurz unter sechs Augen gesprochen, Herr Jagoda«, sagte Bodenstein.
    »Natürlich«, Jagoda nickte. »Gehen wir in mein Arbeitszimmer.«
    Sie mussten sich an Frau Jagoda vorbeiquetschen, da sie keine Anstalten machte, aus dem Weg zu gehen. Ganz offensichtlich passte es ihr nicht, ausgeschlossen zu werden. Das Arbeitszimmer lag auf der rückwärtigen Seite des Hauses mit einem spektakulären Ausblick über den Taunus aus großen Panoramafenstern.
    »Also«, Jagoda wies mit einer Handbewegung auf zwei Sessel und nahm dann hinter seinem altmodischen Eichenholzschreibtisch Platz, »was gibt es?«
    »Kennen Sie einen Mann namens Maurice Brault?«, fragte Bodenstein und schlug die Beine übereinander.
    »Sollte ich ihn kennen?«
    »Vermutlich ja. Sie erwähnten seinen Namen Isabel Kerstner gegenüber.«
    Jagoda verzog keine Miene. Er hätte einen guten Pokerspieler abgegeben.
    »Ach so, ja. Maurice. Wie er mit Nachnamen heißt, weiß ich nicht«, sagte er. »Was ist mit ihm?«
    »Wir möchten wissen, wer er ist und wie Ihre Beziehung zu ihm ist.«
    »Maurice ist Franzose oder Belgier«, erwiderte Jagoda. »Er ist ein Geschäftspartner von Döring.«
    »Und was haben Sie mit ihm zu tun?«, fragte Pia.
    »Maurice besaß früher einmal ein Aktienpaket der Jago-Pharm.«
    »Früher einmal, aha«, Pia nickte. »Seit wann tut er das nicht mehr?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Als wir Sie gestern in Ihrer Firma besucht haben«, sagte Bodenstein, statt ihm zu antworten, »haben wir Herrn Kampmann, den Verwalter Ihrer Reitanlage, aus dem Gebäude kommen sehen. Was hat er dort getan?«
    »Unsere Buchhaltung kümmert sich auch um die Abrechnung der Reitanlage«, erwiderte Jagoda glatt. »Er ist gelegentlich deshalb in der Firma.«
    »In Anzug und Krawatte? Hat er vielleicht noch einen anderen Job als den des Reitlehrers?«
    Jagoda sah Bodenstein verständnislos an, aber in seinen Augen

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