Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
Zeit?«
    »Klar. Auch zwei Sekunden.«
    Die Gespräche der Leute waren verstummt, und alle blickten neugierig zu ihnen herüber.
    »Lassen Sie uns vorne zum Stall gehen«, schlug Bodenstein vor.
    »Okay«, Thordis nickte. Sie stellte ihren Teller auf den Tisch, der neben dem Grill stand.
    »Lassen Sie ja nicht mein Steak verbrennen, Herr Kampmann«, sagte sie scherzhaft, aber dem Reitlehrer schien jeglicher Humor, wenn er denn welchen besaß, abhanden gekommen zu sein. Er lächelte nicht einmal.
    »Was gibt's?«, fragte sie neugierig, als sie auf dem leeren Hof vor der Reithalle standen. Bodenstein musterte ihr Gesicht.
    Hatte er die junge Frau von ihrer ersten Begegnung im Halbdunkel auf dem Parkplatz als recht hübsch in Erinnerung behalten, so bemerkte er jetzt, im hellen Licht des spätsommerlichen Nachmittags, helle leuchtende Augen mit dichten Wimpern, ausgeprägte Wangenknochen und entzückende Sommersprossen auf der hübschen Stupsnase. Sie trug ein knallrotes ärmelloses T-Shirt, das ihr nur bis knapp über den Bauchnabel reichte, und eine enganliegende ausgewaschene Jeans. Für einen Moment entfiel Bodenstein der Grund seines Besuches.
    »Erinnern Sie sich, dass wir über diesen Mann in dem Mercedes Cabrio gesprochen haben, den Sie auf dem Parkplatz von McDonalds im Gespräch mit Isabel gesehen haben?«, fragte er schließlich, und als Thordis nickte, reichte er ihr ein zerknittertes Foto. Es war eines der Fotos, die sie im Notizbuch von Isabel gefunden hatten. Thordis studierte das Bild eingehend und verzog nachdenklich das Gesicht.
    »Ich habe diesen Mann nur sehr flüchtig gesehen«, sagte sie nach einer Weile und hob den Blick, »aber es ist schon möglich, dass das der Mann war. Das ist Isabels Bruder, oder?«
    »Das nehme ich an, ja«, Bodenstein nickte. »Das Bild ist natürlich schon ein paar Jahre alt.«
    »Vielleicht hat Micha Kerstner ja noch ein neueres Foto von seinem Schwager«, schlug Thordis vor.
    »Gute Idee«, Bodenstein lächelte, »ich werde ihn mal fragen.«
    Thordis steckte die Hände in die Gesäßtaschen ihrer engen Jeans und legte den Kopf schief.
    »Wollen Sie etwas essen oder trinken?«, fragte sie.
    »Danke. Aber ich will die Party nicht durch meine Anwesenheit verderben«, wehrte Bodenstein ab, obwohl es eine verlockende Aussicht war. Ihm lief schon beim bloßen Gedanken an ein saftiges Steak mit Kräuterbutter das Wasser im Munde zusammen. In dem Augenblick rollte ein schwarzer BMW Touring über den Hof auf sie zu. Sie traten ein Stück zur Seite.
    Die Fahrerin, eine schlanke Dunkelhaarige Anfang vierzig in Reithosen und Stiefeln, hielt kurz vor der Wiese und stieg aus.
    »Hi, Thordis!«, rief sie.
    »Hi, Babsi«, erwiderte Thordis. »Du wirst schon sehnsüchtig erwartet.«
    »Ich war in drei Supermärkten, bis ich das Zeug gefunden habe«, die Frau öffnete den Kofferraum und holte vier Kisten mit Pfläumchen heraus, die sie dann zum Grillplatz trug. Dort wurde sie mit lautem Beifall begrüßt. Bodenstein blickte das Auto an, und ihm fiel etwas ein.
    »Wer ist die Frau?«, erkundigte er sich.
    »Barbara Conrady«, antwortete Thordis. »Wieso?«
    »Hat sie hier auch ein Pferd stehen?«
    »Zwei.«
    »Sie hat nicht zufällig in der letzten Zeit ein Pferd von Herrn Kampmann gekauft?«
    »Doch«, Thordis wurde neugierig, »allerdings hatte sie ziemliches Pech. Das Pferd ist lahm, seitdem sie es besitzt.«
    Bodenstein überlegte. Die Beschreibung passte auf die Frau, die am frühen Samstagnachmittag vergangener Woche bei Isabel Kerstner aufgetaucht war und mit ihr auf dem Parkplatz gesprochen hatte. Was hatte sie gewollt? Ich hole noch ein Pferd, das ich für die Conrady vorgesehen habe. Wenn sie es sieht, wird sie verrückt. Ich sorge schon dafür, dass es nie auf ein Turnier kommt. Langsam dämmerte Bodenstein, was Reitlehrer Kampmann und Isabel Kerstner gemacht hatten. Kampmann verkaufte Pferde weit über ihrem eigentlichen Wert an seine Kunden, die ihm blind vertrauten. Isabel, eine exzellente Reiterin, machte den Leuten die Pferde schmackhaft, und wenn dann der Handel zustande gekommen war, erhielt sie von Kampmann eine Provision. Der Reitlehrer sorgte dafür, dass die Käufer nicht so schnell bemerkten, welche Mängel die teuer bezahlten Pferde hatten, und verdiente weiter an Boxenmiete, Beritt und Unterricht. Das war clever und zugleich ausgesprochen hinterhältig.
    »Verkauft Kampmann häufiger Pferde an Leute hier im Stall?«, fragte Bodenstein Thordis.
    »Ja«, bestätigte

Weitere Kostenlose Bücher