Eine unbeliebte Frau
irgendwie minimalistisch und unpersönlich geblieben. Ganz plötzlich wusste Pia, dass sie viel zu lange mit ihrer Trennung von Henning gewartet hatte. Sie wollte auch eine Küche haben wie diese, eine gemütliche, lebendige Unordnung, einen Obstkorb mit dunkelbraunen Bananen auf dem Tisch, Hundehaaren in den Zimmerecken und einem Berg von Schuhen vor der Tür zur Garage.
»Sie können übrigens ruhig rauchen«, sagte Bodenstein auf einmal hinter ihr, und sie fuhr erschrocken zusammen.
»Nein, nein, muss nicht sein«, sagte Pia rasch. »In Nichtraucherhäusern kann ich mich schon beherrschen.«
»Meine Frau qualmt wie ein Schlot«, Bodenstein grinste. »Irgendwo steht ein Aschenbecher.«
Er zog mehrere Schubladen auf, bis er einen Korkenzieher gefunden hatte. Eine Katze kam herein, blickte sich kurz um und sprang dann mit einem eleganten Satz auf Pias Schoß.
»Das ist Baghira«, erklärte Bodenstein und holte drei Weingläser und drei Wassergläser aus einem der Hängeschränke. »Er ist hier der Chef. Meine Frau neigt dazu, von jeder ihrer Reisen einen Pflegefall mitzubringen. Baghira kommt, wenn ich mich richtig erinnere, aus der Mongolei.«
»Aha«, Pia lächelte und streichelte das Fell des Katers, der es sich schnurrend auf ihrem Schoß bequem machte.
»Mögen Sie Katzen?« Bodenstein zog sich die Krawatte aus und schenkte den Wein ein. Er probierte einen Schluck.
»Ich mag alle Tiere«, erwiderte Pia. »Ich würde mir gerne einen Hund anschaffen. Aber solange ich den ganzen Tag weg bin, geht das wohl nicht. Katzen sind selbstständig, aber für einen Hund braucht man mehr Zeit.«
»Ja, Zeit muss man schon haben«, Bodenstein schob ihr ein Glas hin. »Das mit unserer Menagerie geht auch nur, weil unsere Kinder noch hier wohnen. Cosima ist tagsüber meistens in ihrer Firma.«
»Eine Firma?«
»Sie hat vor zehn Jahren ihre eigene Produktionsfirma gegründet und produziert Dokumentarfilme, die sie mit ihrem Team selber dreht. An Orten, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt. Zum Wohl!«
Bodenstein und Pia stießen an.
»Neuguinea, Mongolei, Tadschikistan, Sumatra«, er seufzte und grinste schief. »Unglaublich.«
»Das hört sich sehr interessant und aufregend an«, sagte Pia.
»Für mich wäre das nichts«, gab Bodenstein zu. »Ich bin da eher der spießige Typ und brauche die Routine. Für Cosima wäre das tödlich. Lorenz schlägt ganz nach ihr, er macht gerade ein Volontariat beim Fernsehen und war schon ein paarmal mit auf Expeditionen. Rosalie ist eher wie ich. Sie macht nächstes Jahr Abitur und will Jura studieren.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich bin«, sagte Pia. »Früher wollte ich immer die weite Welt sehen, dann habe ich ein paar Semester Jura studiert und festgestellt, dass das nichts für mich ist. Mit zweiundzwanzig habe ich mich bei der Polizei beworben, und das fand ich klasse.«
»Sie haben zwischendurch sieben Jahre lang pausiert. Wieso?«, erkundigte Bodenstein sich. Er war sich bewusst, dass er in einen sehr privaten Teil des Lebens seiner neuen Kollegin vordrang, aber er war neugierig.
»Mein Mann wollte das so«, Pia kraulte Baghira hinter den Ohren. »Er wollte ein Heimchen für Haus und Herd.«
»Das passt aber gar nicht zu Ihnen«, Bodenstein sah sie prüfend an.
»Ich habe relativ lange gebraucht, um das selber zu merken«, sagte Pia leichthin. »Aber jetzt geht's mir gut.«
»Ostermann muss sich morgen um diesen Maurice kümmern«, sagte Bodenstein. »Ich will wissen, wer dieser Mann ist und wo wir ihn finden können. Außerdem sollte er sich erkundigen, welche Flüge an diesem Freitag von Bordeaux abgegangen sind. Möglicherweise findet man auf einer Passagierliste einen Hinweis auf das Kind.«
»Döring hat ziemlich viel Dreck am Stecken, und seine Frau weiß darüber Bescheid«, Pia zündete sich eine Zigarette an. »Sie will aber nichts sagen, weil sie sich vor ihrem Mann fürchtet.«
»Zu Recht, würde ich sagen. Döring kann beängstigend sein«, Bodenstein lehnte sich zurück. »Wir sind zwar auf eine Menge Dinge gestoßen, die zweifellos rechtswidrig oder sogar kriminell sind, aber leider sind wir der Aufklärung unseres Falles kaum einen Millimeter näher gekommen.«
Freitag, 2. September 2005
Bodensteins erster Weg führte ihn an diesem Morgen zum zuständigen Staatsanwalt. Er wollte einen Haftbefehl gegen Hans Peter Jagoda erwirken, bevor er diesen mit den Filmen und den Gesprächsmitschnitten konfrontierte. Der Staatsanwalt zögerte, bis
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