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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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eigenen Wagen und machte auch Kundenbesuche, wenn die Geschäfte es erlaubten.
    »Mmh«, machte Jowesh.
    Pugwat sah ihn an. »Was ist? Ich dachte, du beteiligst dich wieder.«
    »Heute nicht«, erwiderte Jowesh, klappte den Deckel der Schlüsselschatulle auf und begann, darin zu kramen. »Ich schau mir heute die Schmugglerschiffe genauer an.«
    »Wozu das denn? Wir haben doch jetzt unsere eigenen Duschen.« Er schmatzte mit den Lippen. »Die Kleine wird staunen, wo ich sie heute vernasche.«
    Jowesh fand den ersten Siegelschlüssel. »Ich will mir die Schiffe einfach nur ansehen, weiter nichts.«
    »Ja, ja. Ich hab’s gehört«, sagte Pugwat und schlappte davon, die Treppe hinunter. Er knurrte vor sich hin, war vermutlich sauer, dass er Fiudaras Anfahrt nun allein zahlen musste.
    Als Jowesh auch den zweiten Schlüssel hatte und die Außentreppe hinabging, kam sie gerade, ein kleiner Wirbelwind wie immer, mit beeindruckenden Kurven. Sie hatte irgendwas mit ihren Haaren gemacht, sie leuchteten in der Sonne wie ein Signalfeuer.
    »He, Jowesh«, rief sie. »Wo willst du denn hin?«
    »Ich hab was zu tun.«
    »Aber doch nicht jetzt!«, gurrte sie und schlang den Arm um ihn. »Hmm, was ist mit uns beiden? Wir haben doch immer viel Spaß zusammen.«
    »Heute nicht«, sagte Jowesh. »Ich kann’s mir nicht leisten.«
    Das war ein Argument, das ihr sofort einleuchtete. Sie ließ ihn los, rückte ihr Beckentäschchen zurecht und lächelte voller Verständnis. »Dann eben ein andermal«, sagte sie honigsüß und machte sich daran, die Treppe hochzusteigen.
    Jowesh ging zum Wagen, einem kleinen sechsrädrigen Transporter mit Frontladefläche, Winde und Schlepphaken und einem gnadenlos starken elektrischen Antrieb, fuhr los und versuchte, nicht daran zu denken, was Fiudara und Pugwat unterdessen miteinander anstellten. Dass er es sich nicht hätte leisten können, war gelogen. Die Wahrheit war, dass da vorn verschlossene Türen waren und dass er seit neuestem besessen war davon, verschlossene Türen zu öffnen.
     
    Es hatte ihn erstaunt zu hören, dass es die Brüder der Dunklen Pfade noch gab. Sie schienen in eine andere Zeit zu gehören, eine Zeit, die endgültig vergangen war, und irgendwie hatte er, ohne weiter darüber nachzudenken, erwartet, dass sie zusammen mit dem Sternenkaiser verschwunden waren, genau wie dessen Priester, seine Leibgarde oder die Armee seiner Kundschafter. Aber das war natürlich Unsinn. Niemand wusste genau, wie lange die Bruderschaft schon existierte, nicht einmal ihre legendenumwobenen Führer, die Meister der Pfade. Man wusste nur: Sie war alt, die Bruderschaft, unvorstellbar alt. Gut möglich, dass die Brüder ihren Dunklen Pfaden schon gefolgt waren, lange bevor der erste Kaiser seinen Thron errichtet hatte.
    Jowesh hatte sein Leben lang von der Bruderschaft gehört, die unglaublichsten Geschichten, mit halblauter Stimme geraunt, von argwöhnischen Blicken über die Schulter begleitet, im Halbdunkel, wenn der Alkohol die Zungen gelockert und der rote Rauch des Ghuja die Sinne betört hatte. Er hatte niemals einen Pfadbruder gesehen, jedenfalls nicht bewusst. Er hatte mitbekommen, dass Leute Dinge besessen hatten, heimlich, die sie nicht hätten besitzen dürfen, die sie auf keinem legalen Wege hatten erwerben können – verbotene Drogen, subversive Schriften, unglaubliche Geräte. Aber das war alles noch damals gewesen …
    Das Schiff erhob sich stumpfnasig über ihm, ein schwerfällig aussehender Koloss, dessen Landestützen sich schon tief in den ausgedörrten Lehmboden eingegraben hatten. Die Kühlrippen des Hyperkonverters gleißten im Sonnenlicht, die dunklen Sichtluken der Steuerkanzel sahen aus wie unergründlich dreinblickende Augen, die den Ankömmling abfällig musterten. Ein Schiff der Bruderschaft. Irgendwie konnte er es nicht fassen, dass es letztlich auch nur ein Schiff wie jedes andere war, in diesem Fall ein Transporter der Tau-Leta-Klasse, wie sie auf Cheymere hergestellt wurden.
    Jowesh vergewisserte sich noch einmal, dass der Wagen stabil stand, bestieg dann die Frontladefläche und ließ sie hochfahren bis zur Einstiegsluke des Schiffes. Als er den Schlüssel gegen das Siegel drückte, fuhr das Schott widerstandslos beseite, schaltete sich die Beleuchtung in den schmalen Gängen dahinter an, begann die Belüftung zu arbeiten. Es war alt, das Schiff, das sah man an vielen Kleinigkeiten – abgeschabten Stellen, rissigen Dichtungen, kleinen Reparaturen, zugesetzten

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