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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Fische kaufen?«
    »Nein«, sagte Johnny. »Ich möchte ein Meerschweinchen. So eins mit drei Farben, schwarz und braun und weiß. Ein Männchen. Egal, was es kostet.«
    »Hab keine Meerschweinchen«, sagte sie.
    »Hä? Kein einziges?«
    Er glaubte, sich verhört zu haben. Er war in einer Zoohandlung und sie hatten keine Meerschweinchen?
    Das Kamel ging jetzt auf eine Reihe von Käfigen an der Wand zu, zeigte darauf und erklärte, was sie anzubieten hatte, und das war ehrlich gesagt gar nicht wenig.
    »Wir haben Zwergkaninchen«, sagte sie ermunternd. »Und Iltisse. Wanderratten. Und dann haben wir einen großen Chinchilla, aber die sind ziemlich langweilig, die schlafen den ganzen Tag.« Johnny Beskow zögerte. Er wollte nicht ohne ein neues Tier nach Hause fahren. Deshalb musterte er die pelzigen Wesen mit großem Interesse.
    »Und dann habe ich noch einen Hamster«, fiel ihr ein. »Der ist ganz allein. Seine Geschwister sind schon alle verkauft.«
    Sie öffnete einen Käfig und nahm eine kleine champagnerfarbene Fellkugel heraus.
    »Hamster sind super«, meinte sie. »Und viel lebhafter als Meerschweinchen. Sie werden sehr zahm.« E r nahm das Tier in die Hand. Hielt es sich an die Wange.
    »Okay«, sagte er. Und legte den Hamster wieder in den Käfig, denn er wollte nichts überstürzen. Er ließ sich Zeit. Die Ratten waren einfach toll, sie rochen nach Nelken und waren blitzschnell. Eine war ein Albino und hatte rote Augen, wie Rubine. Der Chinchilla wirkte arrogant, ließ sich gerade dazu herab, die Augen einen Spaltbreit zu öffnen, und die Zwergkaninchen waren wohl eher etwas für kleine Mädchen. Er nahm ein Tier nach dem anderen aus dem Käfig, wiegte es in der Hand, hielt es sich an die Wange, dachte lange und sorgfältig nach.
    »Ich nehme den Hamster«, entschied er und ging zurück zum Tresen.
    Das Kamel kam mit dem kleinen Tier in der Hand hinter ihm her.
    »Du brauchst noch Zubehör«, erklärte sie eifrig. »Einen Käfig. Und Spielzeug. Futter- und Trinknapf. Und du solltest auch diesen Vitaminzusatz nehmen, den träufelst du einfach ins Trinkwasser. Hamster bauen sich gern ein kleines Nest. Du kannst dir hier nebenan an der Tankstelle Putzwolle kaufen, die kostet fast nichts.«
    Sie hielt ihm eine kleine Flasche mit einer Pipette hin.
    »Das sind die Vitamine. Und dann haben wir hier noch ein Pulver, mit Mineralien und so, das solltest du jeden Morgen über sein Futter streuen. Das ist gut für die Knochen. Mit diesen Dingen darf man nicht nachlässig sein.«
    »Stop!«, protestierte er, »nein, das reicht, ich habe schon einen Käfig. Ich habe alles, was ich brauche. Und diesen ganzen Kram kann ich mir nicht leisten. Großer Gott, das ist doch bloß ein Hamster. Ich betreibe doch kein Hotel.«
    Sie legte den Hamster in eine Schachtel mit Luftlöchern. Ihre Lippen hatte sie fest aufeinander gepresst, sie war beleidigt, weil er ihren fachlichen Rat verschmäht hatte.
    Aber Johnny war zufrieden. Er bezahlte zweihundertfünfzig Kronen für den kleinen Racker und lief mit seinem neuen Freund unter dem Arm aus dem Geschäft. Wenn sie den auch ertränkt, hole ich mir eine Spinne, beschloss er.
    Oder eine Schlange.
    Als er nach Hause kam, hatte sich seine Mutter angezogen. Sie trug ein Kleid.
    Das kam nur sehr selten vor, deshalb blieb er in der Küchentür stehen und starrte sie an. Das Kleid war dunkelblau und hatte am Saum eine weiße Rüsche, eigentlich sah es aus wie aus dem vorigen Jahrhundert. Aber es war mal etwas anderes, vielleicht sogar eine Verbesserung. Denn in dieser Kreation bewegte und benahm sie sich ganz anders als sonst. An den Füßen trug sie hochhackige Schuhe mit einem Riemchen um den Knöchel. Die Absätze sahen aus wie Garnröllchen, in der Mitte schmal, oben und unten waren sie dicker. Sie hatte sich die dunklen Haare gebürstet, und auf den ersten Blick sah sie durchaus aus wie eine Person, die ihr Leben im Griff hatte. Eine Person mit Disziplin, Willenskraft und Entschlossenheit. Aber ihr Leid war dennoch zu sehen. Das Leid und ihre Alkoholsucht sah man in dem mürrischen Zug um den Mund und in dem gekränkten Blick. Das Zittern der Hand und das leichte Schwanken, wenn sie durch das Zimmer lief. Sie konnte es nicht verbergen, dass sie einer schweren Prüfung unterzogen wurde, dass sie ungerecht behandelt worden war und für ihre Lage keinerlei Verantwortung trug. Auch die Alkoholsucht hatte sie getroffen, wie andere vom Blitz getroffen werden. Ein Angriff, gegen den sie wehrlos

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