Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
klang ungewöhnlich fröhlich. Ich konnte nicht anders.
»Na, der ist aber nicht so wahnsinnig toll, finde ich. Auf mich wirkt er irgendwie verdächtig.«
»Was meinst du damit?«
Drew zog die Schultern hoch. »Er hat einfach eine verdächtige Ausstrahlung.«
Das erklärte natürlich alles. »Könntest du das bitte näher erläutern? Ein Beispiel geben oder so etwas?«
»Ich weiß nicht. Einfach schon, wie er hier reinkam und sich umsah. Das war irgendwie verdächtig. Als würde er das Büro auskundschaften. Und warum hatte er diese Jacke an? Draußen sind es zwanzig Grad oder so. Ich würde Shorts tragen, wenn ich nicht arbeiten müsste.«
Es war tatsächlich warm draußen, allerdings war es morgens noch recht frisch gewesen. Ich selbst hatte einen Pulli angezogen, den ich dann im Auto gelassen hatte. »Tja, jeder ist anders. Vielleicht friert er schnell.«
»Außerdem«, fügte Drew hinzu, »war das auch eine seltsame Äußerung, dass er angeblich deine Telefonnummer verlegt hat. Du stehst im Telefonbuch, ebenso wie unser Magazin. Warum sollte er für die drei Minuten, die er hier war, extra einen Parkplatz suchen und herkommen, wenn er dich auch anrufen kann? Das ergibt keinen Sinn.«
»Vielleicht wollte er mich gerne sehen?« Ich hasste es, dass Drew meine Traumwolken zerschlug. Wo war nur Mrs. Kinkaid, wenn ich sie brauchte?
»Hast du eigentlich seine Telefonnummer?«
»Nein, die hat er mir nicht gegeben.« Ich hatte sie am Dienstag nachsehen wollen, aber er stand nicht im Telefonbuch.
»Da hast du’s. Verdächtig.«
»Also, ich finde ihn kein bisschen verdächtig«, erwiderte ich trotzig. »Ich mag ihn.« Was wusste Drew schon und warum sollte ich auf einen Typen hören, der sich einen Tag später nicht mal daran erinnern konnte, dass er am Vortag blau gemacht hatte?
»Wie du meinst.« Er blätterte in seinen Unterlagen und kritzelte ein paar Notizen, aber ich hörte, wie er dabei »Und trotzdem ist er verdächtig« vor sich hin murmelte.
18
Ich verließ die Redaktion eine Stunde früher als sonst und lief beim Hinausgehen meinem Boss Mr. Warner über den Weg. Als er fragend die Augenbrauen hob, lächelte ich, deutete auf meinen Mund und nuschelte: »Zahnarzttermin.«
»Viel Spaß«, wünschte er mit der verkniffenen Heiterkeit, für die er bekannt war. Er gehörte zu der Art von Chef, die sich für taff ausgaben, und wenn man es nicht besser wusste, nahm man es ihnen ab. Als ich hier zu arbeiten anfing, war ich zuerst tatsächlich ein wenig eingeschüchtert gewesen. Ich brauchte drei Wochen und viel Zuspruch von Mrs. Kinkaid, um Mr. Warners Geheimnis zu lüften: Er glaubte alles, was man ihm sagte. Wenn ich ihm mitteilte, das Magazin laufe nach Plan, ging er davon aus, dass es nach Plan lief. Wenn ich sagte, wir brauchten mehr Büromaterial, unterschrieb er die Bestellung, ohne sie zu prüfen. Wenn ich mit ihm verhandelte, hatte ich die Macht eines Jedi-Ritters. Fast war ich der Meinung, ich hätte bloß »Sie haben mich nicht gesehen« raunen müssen, und er hätte genickt und die Worte bestätigend wiederholt.
Als ich nach Hause kam, war Hubert schon da. Es war immer noch ein Schreck, einen weiteren Wagen in meiner Auffahrt
zu sehen. Jedes Mal musste ich meinen ersten Gedanken korrigieren, dass ich wohl Besuch bekommen hatte, und mich bewusst erinnern, dass Hubert bei mir wohnte. In der Highschool hatte ich immer gedacht, das Allertollste wäre es, wenn Piper, Hubert und ich mal zusammen in einem Haus leben und unsere drei Autos davorstellen könnten – ohne Eltern in Reichweite. Was könnte schöner sein, als mit Freunden zusammenzuwohnen? Doch unsere jeweiligen College-Entscheidungen hatten eine Umsetzung dieses Wohnmodells verhindert und nach unseren Abschlüssen kam uns das wahre Leben in die Quere. Immerhin hatte ich jetzt mit Hubert zumindest einen kleinen Vorgeschmack auf meinen Traum. Da ich nicht annahm, dass Mike seine Frau für ein oder zwei Wochen ohne Brandon gehen ließe, um die Vollversion auszuleben, war der jetzige Zustand immerhin das Zweitbeste.
Im Haus ließ ich meine Aktentasche neben das Sofa fallen. Aus der Küche hörte ich das Geklapper von Topfdeckeln – es roch nach Brathühnchen. Und Kartoffeln. Zumindest nahm ich an, es wären Kartoffeln. Hatten die überhaupt einen eigenen Geruch oder war das nur meine Einbildung?
»Hubert, ich bin zu Hause!«
»Hey.« Er erschien im Türrahmen, die Hände mit Topfhandschuhen bewaffnet. »Du kommst früh. Das ist
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