Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)
früh genug an, um nicht mit mir persönlich sprechen zu müssen. In ihrer Stimme auf dem Anrufbeantworter schwang genau die richtige Mischung aus Bedauern und Krankheit. Wäre Drew nicht zufällig eingefallen, dass ihre Tochter an diesem Morgen aus Kalifornien zu Besuch kam, hätte ich nicht weiter darüber nachgedacht. In Anbetracht der erbärmlichen Arbeitsmoral in unserer Redaktion war es ein Glück, dass man im Grunde nur zwei Leute brauchte, um das Magazin zu erstellen.
Drew und ich arbeiteten gut zusammen, womit ich meine, dass er mich bei dem, was ich tat, nicht störte. An diesem Morgen war er für unsere jährliche Ausgabe zum Schulbeginn mit einem Artikel über Kopfläuse beschäftigt. Vor Kurzem hatten wir zwei lukrative Werbeverträge mit Läuseshampoo-Herstellern an Land gezogen und brauchten jetzt einen Artikel, um die Anzeigen zu platzieren. Ich hatte Drew damit beauftragt, weil mir allein schon beim Gedanken an das Thema der Kopf juckte.
Um elf Uhr klopfte jemand an die Bürotür und schwang sie auf. Das Klopfen klang ganz nach meinem Oberboss aus der Zeitungsredaktion über uns, also nahm ich an, dass er auf seinem
üblichen Kontrollgang bei uns vorbeischaute. Er kam jedes Mal mit irgendeiner lahmen Ausrede an, weshalb er uns besuchen müsse, aber der wahre Grund war bestimmt, zu kontrollieren, ob wir Parenting Today mittlerweile in einen Partypalast mit Discokugel und hochprozentiger Bowle verwandelt hatten. Ich erwartete also Mr. Warners haarlosen Kopf im Türrahmen, doch stattdessen erschien Ryan Moriarty in all seiner dunkelhaarigen Pracht. Der Unterschied hätte nicht größer sein können.
»Hallo.« Er grinste mir zu und kam ins Zimmer. »Störe ich?«
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Drew. Er richtete sich auf und musterte Ryan, als wäre er ein Läuseshampoo-Vertreter.
»Hallo!« Ich stand auf und ging ihm entgegen. Als Ryan die Arme ausbreitete, ließ ich mich willig umarmen. Das war eigentlich ganz uncharakteristisch für mich, aber vielleicht hatte mein Charakter eine Überarbeitung nötig. Wir lösten uns voneinander. »Wie schön, dich zu sehen!« Ich merkte, dass ich unwillkürlich in ein breites, glückliches Grinsen verfiel.
»Ich bin Ryan Moriarty, ein Freund von Lola«, stellte er sich Drew vor, der nickte und so tat, als würde er sich wieder seiner Arbeit widmen.
Ryan und ich waren jetzt also Freunde? Das war ja schnell gegangen. Oh, welch glücklicher Tag!
»Tut mir leid, dass ich so unangemeldet hereinplatze«, sagte er, »aber ich habe deine Telefonnummer verlegt und war gerade in der Gegend.«
»Ach, mach dir keine Gedanken. Was für eine nette Überraschung!« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Drew eine Grimasse schnitt.
»Ich weiß, das ist sehr kurzfristig«, fuhr Ryan fort, »aber hättest du heute Abend wohl Zeit, mit mir essen und ins
Kino zu gehen? Ich hätte ja früher gefragt, aber ich war geschäftlich unterwegs und die Woche über gar nicht zu Hause.«
»Oh, ich würde gern mitkommen«, erwiderte ich, ohne nachzudenken. Es war wie ein Reflex.
»Super. Soll ich dich um halb sieben bei dir abholen? Wir könnten in eine frühe Vorstellung und danach essen gehen. Wenn es dir recht ist.« Er hob fragend die Augenbrauen und sah ein bisschen aus wie der junge James Garner vor seiner Zeit als Detective Rockford . Eine Ähnlichkeit, die ihm bei meiner Großmutter viele Punkte einbringen würde.
»Klingt perfekt.« Ich rechnete kurz nach. Wenn ich ein bisschen früher nach Hause ging, hätte ich genug Zeit, mich umzuziehen sowie neu zu frisieren und zu schminken. Duschen und Beinerasieren würde allerdings schwierig werden. Nicht, dass ich etwas plante, das frisch rasierte Beine erforderte, aber ich hätte gern das Gefühl gehabt, alles an mir befände sich im Bestzustand.
»Wie schön«, sagte er. Er klang aufrichtig glücklich und sah auch so aus. Ich konnte mich nicht erinnern, wann jemand das letzte Mal so begeistert gewesen war, mit mir ins Kino gehen zu dürfen. Vielleicht noch nie.
Er musterte mich noch einmal mit durchdringendem Blick, bevor er durch die Tür verschwand. Während ich ihm nachsah, wurde mir klar, dass ich den Rest des Tages bestimmt nicht mehr viel Arbeit erledigt bekäme. Auf Wolken zu schweben, kann einen sehr ablenken.
Nachdem Ryan weg war, durchbrach Drew die Stille. »Also das ist dieser Typ?« Er schwang seinen Daumen in Richtung Tür. »Der den Schokoriegel befreit hat?«
Grinsend nickte ich. »Ja, genau der.« Meine Stimme
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