Eine ungewöhnliche Behandlung (Dr. Ben und Lara, White Romance) (German Edition)
Schäfchenwolken zogen am märchenhaft blauen Himmel vorbei und wurden vom Wind liebevoll zerzaust. Und über allem thronten massive, mit Schnee bedeckte Gipfel. Wenn ihr Bein nicht so weh tun würde, dann wäre das ein perfekter Urlaubstag in perfekter Gesellschaft.
Tim verlagerte mit ihr das Gewicht. Langsam begann er, die Anstrengung zu spüren.
»Du darfst ruhig auch schnaufen, keuchen, schwitzen und fluchen, wenn ich zu schwer bin. Wegen mir musst du nicht den starken Mann markieren.«
»Oh glaub mir, wenn dann mach ich das nur für mein Bruderherz. Du glaubst nicht, wie sehr ihn das ärgert, wenn ich dich auch nur eine Minute länger trage als er.« Tim wechselte kurz einen Blick mit ihr, konzentrierte sich dann aber wieder auf den Weg.
Lara kicherte verschwörerisch und wusste genau, was er meinte. Beim nächsten Mal müsste sie eine bessere Ausrede finden, um Ben zum Rasten zu überreden. Sein Ego würde ihn glatt die doppelte Strecke laufen lassen! Tim schätzte seinen Bruder also genauso ein wie sie und er hegte keinen Groll. Im Gegenteil, er klang eher amüsiert. Nur warum gab es dann dieses Gerangel und Imponiergehabe? Warum reagierte Ben ausgerechnet auf Tim, seinen Bruder, so eifersüchtig, wo er doch genau wusste, dass Lara es schon mit ganz anderen Kalibern zu tun gehabt hatte?! Schließlich wird man nicht erwachsen, ohne an den einen oder anderen Mann geraten zu sein.
»Tim, als du mit den Knöchel verbunden hast …«
»Davon solltest du besser nicht anfangen!«
Volltreffer! Laras Träger schwankte leicht auf dem schwierigen Weg, fing sich jedoch glücklicherweise. Vielleicht sollte sie das Thema lassen? Aber sie konnte nicht widerstehen. Lara behielt Ben, der gut fünfzig Meter vor ihnen den Weg suchte und konzentriert mit dem Kompass herumhantierte, im Auge und entschied sich anders. Sie setzte erneut an: »Als du mir den Fuß bandagiert hast, was hast du da alles gesehen?«
»Gar nichts.« Die Antwort kam viel zu schnell. Tim klang geradezu erleichtert.
»Du lügst doch!« Ein verräterisches Lächeln huschte kurz für eine Nanosekunde über Tims Lippen, so als würde er sich freuen, dass er sie ausgetrickst hatte. Lara überlegte weiter. Das Gute war, dass sie dazu alle Zeit der Welt hatte und ihr Gehirn ungehindert auf Hochtouren lief, während Tims Körper für die Wanderung jede Menge Sauerstoff seinem Kopf vorenthielt. Mit Bedacht korrigierte sie ihren Fehler. »Und was hast du … gehört?«
Tim stöhnte laut, verkniff sich jedoch jeglichen Kommentar, als Ben sich misstrauisch umdrehte. »Meine Prinzessin ist ein richtiger Brocken, nicht wahr?« Ben lachte, doch Lara entging nicht, wie aufmerksam er sie beide musterte. Einerseits fand sie es süß, andererseits war sie fast etwas beleidigt, dass er ihr so wenig vertraute.
»Oh ja«, rief Tim laut zurück. »Was gibst du ihr zum Essen?« Beide Männer lachten. Dann marschierte Ben wieder weiter und Tim konzentrierte sich auf den Weg. »Spinnst du? Lass das, Lara!«, zischte er.
Für eine Weile gab Lara klein bei. Aber warum sollten sie nicht darüber sprechen? »Mir ist das furchtbar peinlich!«, flüsterte sie nun ebenfalls.
»Ihm sollte das peinlich sein!«, grollte Tim prompt und schnappte geschafft nach Luft. Der Weg wurde mit jedem Schritt steiler und er musste auf seine Schritte achten, wenn er sich nicht auch noch ein Bein brechen wollte. Er lief gebeugt, denn Lara zog ihn rückwärts und er kämpfte mit sich. »Vielleicht sollte ich dich besser vor dem Bauch tragen. Nur das kurze Stück.«
»Okay.« Lara war nicht scharf auf einen zweiten Unfall in einem Urlaub. Sie wechselten unbemerkt von Ben die Position und nun klebte sie vor seiner Brust, hatte ihre Beine um seine Hüften geschlungen und ihre einzige Aussicht bestand in seinem Gesicht. Ein schönes Gesicht, das Ben ähnlich sah und doch zeigte, wie viel jünger Tim war.
»Kannst du bitte damit aufhören, mich anzustarren? Er wird das nicht mögen.« Tims Blick wich ihrem bewusst aus. Er behielt seinen Bruder im Auge.
»Er sieht mich doch gar nicht!«, protestierte Lara und wurde das Gefühl nicht los, dass es plötzlich gar nicht mehr um Ben ging. »Außerdem hab ich nicht so viele Orte, zu denen ich schauen kann.« Wie wahr!
»Stopp!«, rief Tim augenblicklich und Lara saß auf dem Boden, bevor sie wusste, wie ihr geschah. »Ben, nimm du sie bitte wieder! Deine Freundin besteht auf Aussicht!« Tim klang pampig und trank mit langen Schlucken Wasser aus der
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